Tage 26 & 27 – Usbekistan ist eine andere Welt, aber großartig!

Tag 26 (1. Juni 2022)

Wir standen um 7:00 Uhr auf und guckten nur mal kurz auf Philips Motorrad. Vielleicht brauchte das Motorrad nur eine Nacht Schlaf und alles ist wieder gut. Um es kurz zu machen: Nein. Mehr als ein „Klack“ war nicht zu bekommen und da auch Überbrücken der Batterie keine Änderung ergab, war klar: Der Anlassermotor muss raus. Also dann mal das Bestck heraus und los geht die wilde Schrauberei bis zum Mittag. Dies natürlich ohne Essen und Trinken, denn Philip iẞt und trinkt ja bekanntlich beim Schrauben nicht . Claudius Magen knurrte lauter, als die Kamele hinter uns im Gatter!

Ein LKW-Fahrer hatte sich fröhlich dazu gesellt und schaute Philip neugierig über die Schulter. Von ihm bekamen wir einen fehlenden 13er-Ring-Schlüssel geschenkt. Wie kann man nur so doof sein und DEN vergessen? Bei den beengten Verhältnissen im Motorraum eines Motorrads war dieser aber etwas zu breit. Also organisierte Claudius den Bauern und der stellte uns seine Werkstatt zur Verfügung, damit Philip das Werkzeug in shape schleifen konnte.

Am Ende müssen wir frustriert und ohne den gewünschten Erfolg die ganze Möhre wieder zusammenbauen. Also nicht wir 🙂 , sondern Philip! Der Anlasser hat sich festgefressen, das ist irreparabel. Kommt auf die quasi täglich länger werdene Liste der Teile und Arbeiten für Etappe 2. Als Dankeschön für die Unterstützung schenkten wir jeweils dem Bauern und dem LKW-Fahrer eine Zigarre. Der LKW-Fahrer hatte uns zuvor bereits den 13er-Schlüssel geschenkt und der Bauer kam mit einer Dose Bier zurück. Das ist wieder mal eine Demonstration usbekischer Hilfsbereitschaft vom Feinsten!

Aber auch unter den deutschen kennt die Hilfsbereitschaft AB JETZT keine Grenzen: Denn seit heute schiebt Claudius immer Philip an, was ihm den Künstlernamen „Der Anlasser!“ einbringt. Am Anfang musste er noch über 20 m unter voller Last keuchend und schwitzend hinterherrennen, jetzt gelingt das meist beim ersten Anlauf auf guten 3 m. Übung macht eben Meister!

Unterwegs hatten wir dann auf halber Strecke Glück, denn es sollte laut Google eine Benzintankstelle geben. Im Ort Kunga trafen wir einen sehr netten Usbeken, der sich kurzerhand ins Auto setzte und 10 Minuten bis zur Benzintankstelle uns den Führer gab. Selbst mit der besten Beschreibung hätten wir den Weg nicht alleine gefunden. Vielen Dank, lieber Unbekannter!

Auch hier gab es wieder Benzin unterschiedlicher Oktanzahl. Was ist eigentlich diese wichtige Zahl?: Je höher die Oktanzahl, desto höher ist die Sicherheit, dass sich das Luft-Kraftstoffgemisch nicht ungewollt zu früh im Motor entzündet. Das würde über den Kolben einen Schlag auf die Nockenwelle geben – und die hat das nicht so gerne! 🙂 Hier in Usbekistan gibt es viel 80 Oktan, das mögen unsere Motoren aber nicht. Aber hier an der Tankstelle gibt es auch 91 (Bei uns Normalbenzin). Philip hatte 1 km vor der Tankstelle nach 440km ohne Tankstopp auf Reserve gestellt. Also: Punktlandung.

Direkt neben der Tankstelle ist ein kleiner Mini Market mit kleinem Cafe. Dort trinken wir in mehr als nur gut klimatisierter Atmosphäre mehrere Liter nacheinander. Es ist übrigens unglaublich, wir trinken täglich mindestens 3-5 l und besuchen nur abends einmal die Toilette!

Am frühen Abend erreichen wir dann Nukus. Unser Hotel kostet zwar wieder nur 35€ pro Zimmer und Nacht, ist aber das Beste bisher auf unserer Reise. Eigentlich wollten wir mehr campen, aber bei Temperaturen von 34 – 44 °C tagsüber, möchte man abends nur noch unter die Dusche und nicht ein Zelt im heißen und staubigen Steppensand aufbauen!

Als erstes brauchen wir eine Dusche und dann unbedingt Geld, denn Kartenzahlung ist in Usbekistan weitestgehend schwierig. Wir machen uns auf den Weg zum Basar, wo es einen „ATM“ geben soll.

Nach 500 m waren wir dort und bekamen den Mund nicht zu. Wir waren endgültig im Orient angekommen!! Das Zentrum des Basars bildeten große Hallen mit sehr langen Verkaufstresen aus massivem Stein, sahen schon uralt aus! In den Gassen dazwischen und auf dem Vorplatz fand man einen Stand neben dem anderen. Farbenprächtiges Obst, aromatisch duftende Früchte, Nüsse, Stände mit tausenden von Eiern. Gelegentlich wurde etwas frisch gegrillt. Bei einem Eierstand fragte Philip, ob er ein Foto machen dürfte. Mit zwei Handbewegungen signalisierte uns die alte Verkäuferin eindeutig, dass wir entweder zu bezahlen hätten für das Motiv, oder wir sofort abhauen sollen – wir entschieden uns bei bester Laune das Weite zu suchen! Fortan fotografierten wir einfach ohne vorher zu fragen. Wer nicht fragt, kriegt auch keine unerwünschten Antworten.

Ab jetzt geben WIR hier die Antworten, damit das klar ist: Ein Geldwechsler sprach Philip an: „Dollar??“… Philip auf Russisch: „ Geschenkt? Ja, gerne – gib her!“ Er verneinte nur und zog weiter, die Marktfrauen neben ihm schüttet sich aus vor Lachen, sowas hatte man von einem Touristen hier wohl noch nie gehört.

Nach unserer Runde über den Basar sahen wir uns noch den „Busbahnhof“ an. Dieser ist Anlaufpunkt für mehrere 100 Minibusse pro Minute, die auf eine verwunderlich, sich uns auch unerklärliche Weise, hier ihre Fahrgäste finden. Bei der späteren Fahrt durch die Stadt wird versucht, durch entsprechendes Hupen neue Fahrgäste anzusprechen und dazu zu gewinnen. Manchmal führt das aber zu Missverständnissen, denn oft werden auch wir als Zeichen der Freude und Anerkennung auf unseren Motorrädern unterwegs angehupt. So konditioniert, haben wir auch schon so manches Taxi oder Minibus gegrüßt, das uns aber garnicht gemeint hat!

Auffällig in Nukus war, dass überwiegend junge Frauen, fast keine alten Frauen, und nur wenige Männer unterwegs waren. Lustig waren auch die abgekupferten Namen und Embleme westlicher Marken. Am schönsten war ein Kiosk mit dem Namen und dem Symbol von Amazon namens „azamon“.

Auf dem Weg zurück bemerkten wir plötzlich, dass uns hinter einem Grünstreifen in Schrittgeschwindigkeit auf der Straße ein Kleinwagen verfolgte. Immer wenn wir hinsahen, wurde freudig gewinkt und gerufen. Beim dritten Versuch, uns zu winken, stoppte die Fahrerin und stieg aus. Sie hatte eine Tochter im Alter von zehn Jahren und einen Sohn im Alter von sechs Jahren dabei. Sie entschuldigte sich in sehr gutem Englisch, dass sie so aufdringlich sei. Sie wäre Ärztin/Kardiologen und würde ihrer Tochter gerne die Gelegenheit geben mit Fremden auf Englisch zu sprechen, um ihr Englisch zu verbessern. Daraus entwickelte sich ein etwa 20-minütiges Gespräch. Sie schlug vor, dass unsere Kinder doch per WhatsApp ihre Englisch- und Russischkenntnisse gegenseitig verbessern können. Ob unsere Kinder diese Idee auch so gut finden? Wir konnten nicht anders, als unsere Nummern rauszurücken.

Da wir ja morgens wegen der Schrauberei nichts gegessen hatten (danke Philip!) Und wir tagsüber durch gefahren waren, hatten wir nun eine große Leere im Magen und mussten dringend etwas essen. Also spazierten wir gemäß der Empfehlung des Concierge um die Ecke zu einem türkischen Restaurant. Wartend auf einen Kellern, der uns einen Tisch geben sollte, sahen wir rechts neben uns zwei bekannte Gesichter. Sind sie das, oder sind sie das nicht? Nee! Oder doch?: „ Hello Matt, isn’t it you? Oh yes, hello Harriet, unbelievable!” Tatsächlich hatten wir unsere beiden Radfahrer aus Schottland, die wir in Kasachstan am Wegesrand kennen gelernt hatten, jetzt hier in Usbekistan wieder getroffen! Da im Restaurant beim besten Willen kein freier Platz war, freuten wir uns, dass sie uns an den Tisch einluden. Mit von der Partie waren andere zufällige Bekannte aus Massachusetts und Boston. Dort hatten sich Matt un Harriet schon mit an den Tisch gesetzt. Jetzt saßen wir zu siebt an einem 4er Tisch.

Nach einem ausgiebigen Essen verschwanden die fünf und wir „aßen“ noch eine Zigarre vor dem Hotel.

Tag 27 (2. Juni 2022)

Es war schon fast 10:00 Uhr, als wir aufbrachen. Schnell brachten wir noch einen unserer Aufkleber an der Tür des Hotels „Jipek Joli“ an. Der „Anlasser“ waltete seines Amtes und schon durchbrach es mit einem sonoren Knall deutscher Ingenieurskunst von BMW die Stille der usbekischen Stadt Nukus 🙂

Kurz hinter Nukus ändert sich die Landschaft plötzlich. Es wird grüner und die Häuser scheinen einen anderen Baustil zu haben. Claudius erinnert die Gegend irgendwie an Indien, ohne dass er jemals da geweisen sei.

Über lange Landstraßen ging es gut voran. Dann kamen wir an eine Art Pontonbrücke, wie sie Pioniere in kürzester Zeit über Flüsse spannen, die Pfeiler sind Boote. Das Besondere an dieser Brücke war der obere Belag. Hierbei handelt es sich um kreuz und quer verlegte Stahlplatten, die miteinander verschweisst waren. Dort wo über die Zeit Löcher eingerostet waren, wurden einfach Stahl-Flicken drübergeschweisst. Genauso kreuz und quer standen die Enden auch hoch, man musste aufpassen, dass man sich nicht den Reifen aufschlitzt oder in kleinere Löcher fährt. Da man dieses Szenario ja vorher nicht erahnen konnte, hielten wir am Ende der Brücke an und Claudius machte ein paar Fotos. Sofort kam ein Polizist und forderte uns auf, die Fotos zu löschen. Das hat Claudius dann auch direkt vor seinen Augen gemacht. Na klar, was sonst!? Als er aber darauf bestand, auch die „gelöschten Objekte“ zu löschen, stellte sich Claudius bewusst doof. Nach seinen kurzen Erklärungsversuchen auf russisch, usbekisch und englisch gab der Polizist mit einem Achselzucken auf. Sicherlich hätten ihn auch die Videoaufnahmen interessiert, die Philip mit seiner GoPro am Motorrad gemacht hat. Oder vielleicht die Drohne in seinem Koffer, die ja in Usbekistan gar nicht erst hätte eingeführt werden durfte? Wir werden es nie erfahren! Wahrscheinlich wollte die Regierung nicht, dass in der Welt bekannt wird, was Usbekistan für desolate Brücken hat!?

Mit diebischer Schadenfreude, die Polizisten überlistet zu haben, setzen wir unsere Reise fort. Die Entfernung bis zu unserem Ziel heute beträgt nur kurze 170 km, die Straßen sind mittelmäßig bis hervorragend.

Die Stadt unseres Begehrens heißt Xiva, eine Hauptattraktion von Usbekistan. Unser Hunger auf die Altstadt steigt, als wir die riesige Stadtmauer das erste Mal sehen, Sie ist eindrucksvoll und exotisch zugleich und regt die Fantasie an, wie es hier früher zugegangen sein mag.

Die Oasenstadt Xiva, Kiva oder Chiva liegt direkt an der Seidenstraße. Sie wurde das erste mal 600 vor Christi erwähnt. Im Laufe der „letzten paar Jahre“ ging sie trotz der sehr guten Werhaftigkeit durch fast alle namhaften Hände: Die Araber (brachten den Islam), Dschinghis Khan, Timur Lenk, die Perser und auch die Russen und jetzt auch WIEDER die Deutschen in unserer Person. Deren früherer Einfluss ist nicht zu leugnen. Dieses Foto haben wir innerhalb der alten Stadtmauer geschossen:

Das erste Haus am Platze innerhalb der alten Stadtmauern, die garnicht so klein sind, ist das Hotel Orient Star. Für 40€ die Nacht kann man das mal machen, dachten wir uns. Ohne es zu wissen, war das eine sehr weise Entscheidung, insbesondere wegen der Motorräder.

Denn beim einchecken sagte man uns, dass die Motorräder nicht vor dem Hotel stehen können, sondern in ein nahegelegenes baufälliges Haus müssen, da ein großes Ereignis bevorsteht und die Motorräder nicht ins Bild passen.

So sollen sich morgen die Präsidenten von Usbekistan und Tadschikistan in der Altstadt treffen, um die freundschaftlichen Kontakte zu vertiefen. Das erklärte auch die unzähligen Menschen, die die Straßen kehrten und die Blumenbeete (und davon gibt es viele) neu mit hunderttausenden Blumen bepflanzen und wässerten. Das fanden wir ganz spannend und machten uns auf einen ersten Erkundungsgang durch die Stadt.

Als Immobilienleute waren wir begeistert von dieser Jurte, die gemäß Energieeinsparverordnung fachgerecht gedämmt war.

Die Rezeptionistin hatte uns für das Abendessen ein Restaurant mit Dachterrasse empfohlen. Als wir ankamen, waren wir die einzigen Gäste. Aber der Kellner versicherte uns, dass die brennende Sonne spätestens in 30 Minuten erträglich ist. Er hatte recht. Mit dem Sonnenuntergang kamen dann auch recht viele andere Gäste aus verschiedenen Nationen dazu. Der Rechnungsbetrag belief sich auf 43 €. „Kartenzahlung? Nur usbekische Karten!“ Aber unten wäre um die Ecke ein Geldautomat. Also machte sich Philip mit allen Karten, die wir haben, auf den Weg. Claudius findet das richtig super, wenn ein Restaurant, das vornehmlich Touristen bewirtet, keine ausländischen Karten akzeptiert. In Deutschland riecht das nach Steuerhinterziehung. Hier können wir uns kein Urteil erlauben. Aber Fakt ist, dass das ausgesprochen kundenunfreundlich ist. Wer möchte schon nach einem gemütlichen Abendessen runter in die Stadt rennen und danach wieder drei Geschosse hoch!? Und das auch noch mit einem gehörigen Schädel. Denn das einheimische Bier mit 9% war trotz nur eines Glases wie ein Hammerschlag auf den Kopf. Philip legte ein gigantisches Bündel Geld auf den Tisch. Mit einem breiten Grinsen sagte er zu Claudius: „ Das sind nur knapp 50 €. Was machen die hier denn, wenn man ein Auto kaufen möchte? Da muss man wahrscheinlich vorher einen Pferdeanhänger mieten, um das Geld zum Verkäufer zu transportieren!“ Das erklärt sich auch dadurch, dass die größte Banknote in Usbekistan ein 100.000-Sum-Schein ist. Er hat nur einen Gegenwert von etwa 10 USD.

Unser Plan war ein frühes Abendessen einzunehmen, haben wir ja auch so gemacht um 18:30 Uhr, dann einen kleinen Spaziergang durch die beleuchtete Altstadt zu machen und zum Abschluss eine Zigarre rauchen. Hintergrund des frühen Abends war, dass wir am nächsten Morgen sehr zeitig die lange Strecke nach Samarkand angehen wollten. Übrigens: Nach aktuellen Berechnungen kommen wir mit den Zigarren bis Bischkek aus. Nicht für jeden Abend aber für 10 Abende haben wir noch Vorrat, das passt.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Egbert D.

    Ein BMW Moped mit menschlichem Anlasser, toll und Ihr solltet die Zahl der Nutzungen zählen und später BMW mitteilen nach dem Moto der Mensch hält länger als ein BMW Anlasser!

  2. Johannes

    Wahnsinn…!!! Die Maschine so weit zerlegt mitten im Stall! Unglaublich!!!!! Großartig seid ihr!

  3. Kai

    Danke für die Aufklärung der Zigarrenfrage!

  4. R. Sch.

    Hallo Herr Ebhardt und Herr Stuhlmann
    Hut ab für dieser Leistung und den Bedingungen die BMW zu zerlegen und zusammenzufügen damit die Tour weiter gehen kann. Aber eins würde mich interessieren,
    meine Honda hatte schon 1965 E Starter und Kickstarter. Sind die Konstrukteure von Honda der Zeit voraus gewesen ? Schreiben Sie bitte weiter diese interessanten Berichte.
    Grüsse aus Reinbek

  5. Addi

    Alles frei nach dem Motto: Lieber das Leben riskieren als Schwung zu verlieren! Da hat mein Bruderherz ja noch ein paar Sprints auf heißem Asphalt vor sich; da sieht man mal wieder, wozu man einen guten Freund so alles braucht!
    Dann mal keine unnötigen Stops mehr. Bremsen ist sowieso nur die Umwandlung hochwertiger Geschwindigkeit in sinnlose Wärme 🙂
    Toller Blog, noch gaaanz viel Spaß und paßt auf Euch auf!❤️

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