Tage 23, 24 & 25 On the road again

Tag 23 (29. Mai 2022)

Nach kurzen 6 Stunden Schlaf machten wir uns an nötige Wartungsarbeiten an den Motorrädern. Die Motorräder bekamen prophylaktisch nach 3.000 km neue Zündkerzen, das Ventilspiel wurde überprüft und die Überreste von Claudius‘ ansonsten abgängigen rechten Spiegel wurden demontiert. Auch haben wir die Luftfilter einmal geprüft.

Plötzlich stellte Claudius an Philips Motorrad fest, dass ein Faltenbalg (ein Art faltiger Gummischlauch zwischen der „Hinterradschewinge“ und dem Getriebe abgerutscht ist. Leider war er von der Schwingenseite gerutscht. An dieser verflucht engen Stelle bekamen wir das stramme Ding beim besten Willen nicht wieder an seine Position. Deshalb musste Philip den gesamten hinteren Antrieb (Schwinge), den Batteriekasten, die Batterie, das Federbein und was da sonst noch so im Weg war etc. demontieren. Am Ende waren es 8 Stunden als alles erledigt war und die Kiste wieder zusammengebaut war. Philip stellt in solchen Stresssituationen (Claudius kann hier nicht helfen, nur Philip trägt die Verantwortung) das Essen vollkommen ein und fast auch das Trinken. Claudius kompensiert das aber ganz gut und gibt sich wirklich Mühe, etwas über die Technik zu lernen und an jeder Stelle zu helfen, wo es auch nur irgendwie Sinn macht. Eine „richtige“ Werkstatt bekommt das sicherlich in sehr viel kürzerer Zeit hin, aber wir haben den Bock eben auch vor dem Hotel, ohne Hebebühne und mit „Bordwerkzeug“ zerlegt.

Dann fehlte uns ein ganz wichtiger Schraubenschlüssel (für Interessierte oder Eingeweihte: Eine 27er Steckschlüssel-„Nuss“ für die Kontermutter der Schwingenbolzen) und wir bekamen eine Lektion in Sachen kasachische Gastfreundschaftlichkeit: Philip schrieb wegen der fehlenden Nuss den Ölhändler an. Seine Antwort: „Ich bin in 10 Minuten da!“ Aber leider waren die vielen Werkzeuge und Schraubenschlüssel dann doch nicht die richtigen. Daraufhin sagte „Arman“ an diesem schönen Sonntag: „ Kein Problem, ich bin in 10 Minuten wieder da!“ Unglaublich, wir sind doch fast Fremde! Aber hier sind wir halt „fast Freunde!“ Auch störte es wirklich niemanden, dass wir quasi vor dem Hoteleingang ein Motorrad maßgeblich zerlegten. Vielmehr war das Interesse groß und meistens die Augen noch größer, wenn wir erzählten, dass wir aus Deutschland kämen.

Mit dem letzten Tageslicht machen wir noch eine kleine Probefahrt mit beiden Maschinen. Sie laufen prima, Claudius meint, sein Motorrad liefe sogar besser als vorher. Toll gemacht Philip (Zitat von Claudius).

Am Abend konnten wir dann auf Instagram den Post von Arman lesen: Unter dem Foto von Claudius stand „ Philip going from Germany to Australia. Really crazy guy! Da hat er unsere Namen wohl durcheinander gebracht 🙂

Tag 24 (30. Mai 2022)

ENDLICH ! – Wir sitzen wieder auf UNSEREN Motorrädern und unsere Reise wird fortgesetzt. Wir machen noch einen kurzen Stop, um die Motorräder zu waschen. Es war einfach unbedingt nötig nachdem diese noch den Dreck des Transports durch Aserbaidschan mit sich trugen. Anschließend sind wir kurz bei Arman aufgeschlagen, um Ihm das Geld für die Motorrad-Versicherungen zu geben und um ihm das geliehene Werkzeug zurückzubringen. Arman ist ein gepflegter Mann, aber sein Shop bzw. seine Werkstatt ist wirklich kein Luxusbetrieb. Nun staunten wir aber mal nicht schlecht: Als er uns kurz seine Frau vorstellte, entschuldigte er sich auch gleich, dass beide leider schon wieder weg müssten, denn sie würden heute nach Miami fliegen. Mit so einem Lebensstil hatten wir nun wirklich nicht gerechnet, zumindest nicht in Kasachstan und nicht in diesem Hinterhof! Aber um so mehr wissen wir zu schätzen, dass er uns tags zuvor so bedingungslos geholfen hatte.

Als wir gerade auf die Mopeds springen wollten, sah Claudius, dass der Riss in seinem Faltenbalg, den wir in Trabzon in der Türkei schon mit etwas Silikon über die Zeit retten wollten, sich etwas erweitert hatte. Die „+#X!.-&!!“ Faltenbälge wollen uns fertig machen – ha, aber nicht mir uns! Kurzerhand haben wir uns etwas Silikon organisiert und nachgebessert. Naja, da der Kardan (Antriebwelle für das Hinterrad) trocken läuft, geht es mehr darum, dass da kein Dreck reinkommt. Öl kann da nicht raus.

Nun aber los. Strecke machen! Mittlerweile haben wir 150km-Abschnitte als für uns guten Rhythmus entdeckt. Dann machen wir Pause, um zu trinken und etwas Bewegung in Arme und Beine zu bekommen. Den ersten Stop hatten wir an einer Tankstelle, die wir bereits von unserer Tour mit den geliehenen Maschinen kannten. Die Idylle ist dann auch komplett, wenn verträumt zwei Kamele (ja, Dromedare) an der Tankstelle verbeischlendern.

Besonders im Gedächtnis werden uns Harriet und Matt bleiben. Sie fahren seit März mit dem Fahrrad von Schottland nach Neuseeland. Wir entdeckten die beiden auf Ihren Fahrrädern mit Satteltaschen links und rechts nebeneinander radelnd auf unserem Weg durch die kasachische Trockenheit. Wie unter Fernreisenden üblich, hält man kurz an und tauscht sich kurz aus. Aus „kurz anhalten“ wurden so ca. 20 Minuten, in denen man jeweils seine Story kurz erzählte. Wenn wir schon dachten, dass unsere Tour exotisch, wild, abenteuerlich und ein bisschen crazy ist, dann ziehen wir unseren Hut vor den beiden. Deren Route unterschiedet sich nicht besonders von unserer – aber wir wir müssen „nur“ am Gashahn ziehen und nicht in die Pedale treten. Und wir campen nicht fast jede Nacht. Respekt!

Kaum hatten wir uns in Bewegung gesetzt, „donnerte“ bei vollem Tempo eine schwarze Mercedes G-Klasse mit diversen BRABUS-Emblemen an uns vorbei. Das Fenster war herunter gekurbelt und der Beifahrer drehte ein Video von uns. Dann machte er mit seinem Handy eine Handbewegung wie ein Fotoapparat. Klar, was die wollten. Aber wir hatten es eilig und wollten uns nicht aufhalten lassen. Nur wenige Kilometer weiter wurde der schwarze Geländewagen so in der Steppe drapiert, dass die Geländefähigkeit des Fahrzeugs auf den unzähligen Fotos, die sie machten, besonders gut rüber kam. Was für Poser! Als die drei (Vater und zwei Söhne) uns mit etwa 90 Sachen „heranbrummeln“ hörten, sprintete der ältere Sohn wie von der Tarantel gestochen durch das niedrige Buschwerk an die Straße und tippte überenergisch auf sein Handy. Sie wollten unbedingt ein Foto mit uns machen. Keine Chance, wir brausen vorbei! 20 km weiter legten wir eine Trinkpause ein. Die Parkplätze für solche Pausen werden immer angezeigt durch das nachfolgende Schild:

Das mit den Tannen ist hier mehr Wunsch als Wirklichkeit. Hier gibt es gar keine Tannen, nicht mal Bäume. Oder wurden die schon abgeholzt?

Schön war auch das Toilettenhäuschen auf diesem „Rastplatz“. Nein, es war der bisherige Gipfel der Abscheulichkeit! Parallel zu unseren Erlebnissen sammeln wir Fotos von den skurrilsten, meist aber ekeligsten Toiletten auf unsere Reise! Das wird zu einem späteren Zeitpunkt ein wahres Fest! Ist aber nichts für schwache Nerven oder Mägen. Aber zum Glück geben Fotos keine Gerüche wieder.

Wie aus dem Nichts hörten wir dann wieder das V8-Röhren des schwarzen PS-Monsters. Natürlich hatten sie uns gesehen und bogen gleich auf unserem Parkplatz ab. Dass die drei nicht mit quietschenden Reifen vor uns gehalten haben, war sicherlich ein Versehen! Der Vater war unglaublich aufgeregt, uns endlich erwischt zu haben. Wir haben dann das Spiel mitgemacht und sie freudig begrüßt: „Endlich hat es geklappt!“ Dass wir ihn nicht verstanden haben, interessierte ihn nicht, er plappert in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit auf uns ein. Die ganze Zeit mit einem freundlich-errgten Grinsen im Gesicht. Er wollte, dass wir die beiden Motorräder rechts und links von seinem Boliden aufstellen und von vorne ein Foto machen. Dann schwang er sich auf Philips Motorrad und wollte auch fotografiert werden. Trotz hygienischer Vorbehalte, folgte Philip auch seiner Bitte, den Helm aufsetzen zu dürfen. Als Dank packte er dann Brot und wie er es nannte „weiße Pepsi“ aus. In der Coca-Cola Flasche (keine Pepsi) befand sich ein gegorenes Milchprodukt von der Konsistenz her wie Buttermilch, nur etwas säuerlicher. Schnell wurde mit dem Taschenmesser eine PET-Flasche unten abgeschnitten und in den somit selbst gebastelten Becher eingeschenkt. Nicht ganz unser Geschmack, aber eine Erfahrung wert! Was es genau war, vielleicht vergorene Kamelmilch, haben wir nie erfahren. Aber geschadet hat es uns auch nicht.

Nachdem die Fotos im Kasten waren und gemeinsam angestoßen wurde, machte sich die Truppe ungewöhnlich schnell wieder auf die Socken. Wahrscheinlich müssen sie die Poser-Bilder schnellstmöglich ins Netz stellen, bevor die anderen 23 Cousins ihn mit anderen Stories übertrumpfen!? Da wir denen auch unsere Instagram-Seite verraten hatten, fanden wir tatsächlich nur kurze Zeit später bei Instagram folgendes:

Unser Tag endete nach 460 km in Beineu. Wir waren erstaunt über die Ausdehnung dieses gottverlassenen Ortes. Aber als erstes steuerten wir eine „Zabravka“ (Russisch für Tankstelle) an. In diesem Teil der Welt gibt es viel Gas und daher fahren die meisten Autos mit Gas. Entsprechend rar ist das Angebot für Benzin. Auch hier war das Interesse an unseren Geräten groß. Oft werden unsere BMWs auch mit „Ural“-Motorrädern verwechselt, denn der Motor ist kontruktiv sehr ähnlich. Gerne werden dann Bilder gemacht und am liebsten auf den Motorrädern sitzend. Naja wir werden bisher wenigstens gefragt und so kommen wir immer wieder mit Menschen in Kontakt.

Bei „booking.com“ war uns ein Hostel in Beineu besonders aufgefallen, weil Bilder und Videos von Motorradfahrern dort zu sehen waren, die innerhalb eines Zaunes ihre Motorräder geparkt hatten. Die sichere Übernachtung für unsere „ Gummikühe“ ist für uns ja immer sehr wichtig. Die Unterkunft war sauber und das Abendessen (ohne Koriander!) war überraschend gut. Also alles gut! Nach dem Abendessen machen wir uns noch auf zu einen kleinen Spaziergang durchs nächtliche Beineu, einmal zum Bahnhof und zurück. Flugs noch ein Eis gekauft, und dann ins Bett!

Tag 25 (31. Mai 2022)

Dieser Tag startete schon um 6:30 Uhr für uns. Denn wir hatten heute ein dickes Brett zu bohren. Der Straßenzustand in Usbekistans nach Nukus ist unter Reisenden legendär und sollte anstrengend werden. Und wir hatten auch noch circa 80 km bis zum Grenzübergang Kasachstan/Usbekistan vor der Brust und waren uns nicht sicher, wie lange die dortige Prozedur dauern sollte. Außerdem gibt es auf der gut 500 km langen Strecke quasi keine Tankstellen mit Benzin, dass mindesrtens 91 Oktan hat. Deshalb kaufen wir als erstes an der Tankstelle im Ort vor unserer Abfahrt Unmengen Wasser, einen 10 l Metallkanister und tanken die Motorräder bis Oberkante-Unterlippe voll. Das sind dann ca. 80 Liter in Summe.

Die 80 km bis zur Grenze waren easy. Und bei der Ausreise aus Kasachstan hatten wir mit den jungen Zöllnern sehr viel Spaß. Unsere Waffe auf der Reise ist ganz klar die gute Laune. Diese Keule der Sympathie bekommt einfach jeder Offizielle bei uns volle Pulle vor den Kopf geknallt, bevor er nur das Maul aufmachen kann!

Auch die US Bacon (Das war eben die erwähnenswerte Sichtweise unserer Diktierfunktion für „ Die Usbeken“) waren ähnlich gut drauf. Alles überhaupt kein Problem und nach 1,5 Stunden hatten wir den Grenzübertritt hinter uns! Welcome to Usbekistan.

Direkt hinter der Grenze auf einem staubigen Parkplatz standen die üblichen Buden. Hier konnten wir uns mit Wasser verpflegen, SIM-Karten für die Handys kaufen und etwas Geld wechseln. Eine Versicherung für die Motorräder ist in Usbekistan nicht vorgeschrieben und wir konnten hier aber auch keine kaufen. Danach soll auch nie gefragt werden, hoffentlich bleibt das so, urgs! Mut zur Lücke.

Und dann ging die heilige Scheiße los: Schon im Niemandsland zwischen Kasachstan und Usbekistan konnte man die Anfänge erahnen. Aber nach dem Grenzübergang löste sich die Straße auf gut 100 km quasi gänzlich auf. Der Asphalt hatte Spurrillen, die gut und gerne 30 Zentimeter tief waren.

Dieser Belag bekam sehr bald erst kleinere, dann größere Schlaglöcher dazu (bis 20 cm Tiefe). Irgendwann verschwand der Asphalt ganz und nur noch Inseln des Asphalts reihten sich mit den Schlaglöchern und Schotter aneinander. Und dieser Flickenteppich mit seinen scharfen Kanten senkte sich dann noch in tiefe Kuhlen mit oder ohne losen Sand. Teilweise war nur Schrittgeschwindigkeit möglich.

Auf den Fotos kommen diese schwierigen Passagen optisch irgendwie nicht rüber. Oft haben wir bei sehr schwierigen Passagen einfach nur damit zu tun „zu überleben“. Für Fotos bleibt da kein Gedanke und keine Zeit. In diesem Falle sprechen wir auch von 100 km höchster Konzentration bei 34-44 °C, das schlaucht auch ziemlich! Lange Rede kurzer Sinn, ihr müsst uns glauben, dass wir ganz harte Typen sind, denn aus den Fotos ist das wirklich nicht ersichtlich!

Und auf dieser Straße sollten wir noch weiteren Tribut zollen: Nach circa 20 km hatte Claudius vorne einen Plattfuß. Ehrlich gesagt, da geht einem der Arsch erstmal auf Grundeis: 360° bis zum Horizont absolut flaches Land, nur Steppe, kein Baum, kein Schatten! Nur sehr selten kam uns ein LKW entgegen, der im Schneckentempo um die Schlaglöcher manövrierte. 100 km vor uns keine Werkstatt und 100 km hinter uns keine Werkstatt. Und nun?

Während Claudius sich schon in der Wüste verdursten sah, packte Philip ein Reifen-Reparaturset aus. Am Flughafen in Tiflis hatten sie uns ja die Druckluft-Patronen abgenommen, aber nicht das „Flickzeug“.

Mit einer Art Rundfeile macht Philip das Loch sauber und etwas größer und stopft dann mit einem Werkzeug, das aussieht wie eine umgedrehte Stopfnadel (Nadelöhr unten) mit Griff die Gummiwurst in das Loch. Dann pumpe er mit unserem Kompressor, der bei den Motorrädern in die Bordsteckdose gesteckt wird, den Reifen auf. 20 Minuten später war alles fertig! Wir waren dem Tod also in letzter Sekunde von der Schippe gesprungen :-). Und das tollste: Dieses Provisorium hält quasi ewig! Und wenn nicht, dann gibt es noch eine Gummiwurst mehr ins Loch! Naja, die Bedienungsanleitung sagt zwar: „Vorsichtig und mit angemessener Geschwindigkeit zur nächsten Fachwerkstatt fahren“ – aber das sehen wir jetzt mal etwas „central-asiatischer“.

Nach unserer Lehrstunde im Reifen flicken zur größten Mittagshitze mussten wir uns nun sputen, denn bei dem geringen Tempo ist der Weg noch lang. Um 19:30 Uhr hatten wir uns auf der Suche nach unserem Hostel in einem kleinen Kuhdorf ziemlich verfahren. Die Navigation ist in diesen Regionen sowieso oftmals schwierig. Oft betrachten wir unsere beiden Navigationssysteme, Google Maps und maps.me parallel. Erst dann treffen wir unsere Entscheidung, wo es weitergeht. Meistens geht das relativ schnell, aber in diesem Kuhdorf sind natürlich keine Straßen eingezeichnet und wir sind der Himmelsrichtung folgend halbwegs durch die Hintergärten gefahren.

Also machen wir zum fünften Mal in diesem Dorf die Motorräder aus, um den Weg zu bestimmen. Schwerer Fehler: Philips Maschine springt nicht mehr an. Der Druck auf den kleinen grünen Knopf zaubert nur ein Müdes „Klack“ hervor. Na Mahlzeit. Philip drück noch ein paar Male ungläubig auf den Anlasser, um sich dann dann mit dem Kickstarter zu versuchen. Das sicherlich 30-malige Versuchen einen 1000 Kubik Motor mit dem Kick-Starter anzubekommen ist durchaus nicht einfach. Aber in voller Montur bei 35 °C eine mehr als nur schweißtreibende Angelegenheit.

Auch hier waren wir mit unserem Problem schnell die Attraktion. Hatte das Dorf eventuell eine Telefonkette wie bei den Kindern in der Schule? Auf jeden Fall fanden sich plötzlich fünf Männer ein, die die Mühle ohne Probleme angeschoben haben. Philip hat es nicht rausgelassen, aber ihr könnt euch vorstellen, dass sich eine leicht einsetztende Frustration sich in ihm breitmachte. Ist ja klar: SCHEIẞE !!! Woran liegt es? Batterie? Anlasser? Kann ich es reparieren? Wie lange dauert es? Warum immer ich? Warum kann das nicht Claudius passieren? 🙂
Claudius gab sich größte Mühe, Philip aufzuheitern und seinen Blick wieder nach vorne zu richten. Trotz aller Mühe wollte es ihm nicht recht gelingen!

Keine 10 Minuten später kamen wir bei unserer Unterkunft an. Das „Hostel“ war eine ziemlich heruntergekommen, für hiesige Verhältnisse aber sehr einfache und ordentliche Unterkunft. Dieser Ort war eine Kombination aus Bauernhof/Tankstelle/Parkplatz für Fernfahrer und Imbiss. Hier lag man auf Podesten, die mit Teppichen belegt waren. Gegessen wurde auf einem nur 30 cm hohen Tisch im liegen. Die ganzen Schlappen standen am Eingang.

Claudius besichtigte mit der Wirtin des Hauses erstmal die Zimmer. Bei zehn Euro pro Person ist das zu empfehlen! Währenddessen versuchte Philip bei der Inhalation einer 1,5 l Fanta Flasche seine seelische Mitte wieder zu finden. Am Eingang zum Zimmertrakt zog die alte, dicke Wirten, die einen Leberfleck in der Größe einer mittleren Weintraube auf der Wange trug, ihre Schlappen aus. Sie deutete Claudius, es ihr gleich zutun. Claudius aber gestikulierte: „ Muss ich wirklich? Die Motorradstiefel sind so schwer an- und auszuziehen!“. Aber sie guckte Claudius nur mit einem vorwurfsvollen Blick an. Dann antwortet sie in ihrer Sprache und dem befehlenden/vorwurfsvollen Tonfall wie bei Dinner for One: „ James, please!“ Claudius wusste, dass er sich mit ihr nicht anlegen wollte. Also aus die Biester! Aber frische Luft an den Füßen ist nach der langen Tour auch wirklich angenehm. Also nicht für die Personen drum herum. Aber gut, sie wollte das ja so. Das Zimmer mit Bad „en suite“ und fünf Betten war einfach, aber völlig okay. Also Stiefel wieder an und zu Philip!

Philip hing quasi über dem Stuhl wie ein nasses Handtuch. Dann zischte er irgendwas wie: „Wie ist das Zimmer? Und nach der Fanta geht schon besser!“ Claudius hatte geklärt, dass wir die Motorräder hinter das Bauernhaus im Hof beim Gemüsegarten und den Kamelen parken dürfen. Gesagt getan!

Als wir die erste Fuhre Gepäck aus dem Hof holen wollten, kam uns der Bauer entgegen und hob fragend die Arme, was wir denn in seinem Hof suchen würden?! Mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Russisch, weihten wir ihn in den Plan seiner Frau ein. Dann war er auch beruhigt. Hier ist klar, wer der Chef im Hause ist.

Sehr schnell entwickelt sich ein nettes Gespräch. Er konnte sogar ein paar Brocken Englisch. Dann fragte er, ob wir seine Babykamele sehen möchten. Na hallo, aber logisch! Bei den Vorschlag vergessen wir ganz, dass wir noch in unseren heißen Motorradkombis stecken.

Die Kamele fanden das alles aber garnicht so witzig. Sie nörgelten, schimpften und brüllten auf „Kamelisch“ nichts nettes. Dann wollte der Bauer (Ahmet oder so ähnlich) uns noch sein Gewächshaus zeigen, das er aus alten Fenstern und einer Tür von einem Reisebus gebaut hat. Beide durften wir uns eine Gurke pflücken! Er war sehr stolz auf seinen kleinen Garten.

Ahmet hatte dann das geschafft, was Claudius misslungen war. Philip war wieder bester Laune. Therapie-Kamele, muss man sich mal als Marktlücke merken. Hier konnten wir richtig tief in die ursprüngliche Lebensweise der Menschen eintauchen. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen!

Der ganze Hof war übrigens ziemlich müllig. Überall lagen alte Werkzeuge, ausgediente Kühlschränke, leere PET Flaschen, alte Lampen und andere Gegenstände aus früheren Zeiten umher. Selbst im Gehege der Kamele lagen einige leere PET Flaschen rum. Die Kamele befanden sich gerade quasi in der Mauser und warfen ihr Winterfell ab. Dieser desolate Haarschnitt passte aber lückenlos in das Erscheinungsbild des gesamten Hofes! Weiterhin befand sich im Hof ein großer Dieseltank, aus dem der Chef Schwarzmarkt-Diesel an die LKW-Fahrer verkauft. An diesem Ort ging einfach alles!

Im Anschluss gingen wir zum Zimmer. Philip fragte etwas erstaunt, was denn mit den anderen drei Betten ist? Claudius sagte nur ganz trocken: „ Davon sind nur zwei belegt, die Jungs kommen irgendwann um Mitternacht, Fernfahrer!“ normalerweise hätte Philip das sofort gecheckt, aber der Typ war halt ziemlich am Ende und jetzt fiel ihm auch noch der Rest seines Vertrauens in diese Welt aus dem Gesicht! 🙂 Dann sprang aber das Rechenzentrum bei ihm doch noch an und er entgegnete: „Du Arsch!!“ Zwei Duschen später beglückwünschten wir uns beim Bier zur Wahl dieser Location!

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Armin

    Ihr seit Helden 🙂

  2. Anonymous

    So hart sind gewünschte Abenteuerreisen, so lange Ihr überlebt, haben wir nur viel Spaß mit Eurem Bericht! Gern weiter so!
    Egbert

  3. Alexandra

    Als ich heute morgen euren Abenteuer-Blogeintrag laß, saß ich mit einem Becher Kaffee gemütlich im Bett und habe mich fast ein wenig geschämt. Ihr erlebt dort heftige Dinge, welche euch mit Sicherheit teilweise sehr an eure Grenzen bringen, körperlich, mental und emotional! Und dann „müsst“ ihr das auch nochmal für uns daheim Gebliebene aufschreiben. Vielen Dank für eure langen Berichte, dass wir es auch ein bischen mit euch zusammen erleben dürfen. Und immer an die stärkste Waffe, euer Lachen, halten! Das ist super 🙂

  4. Addi

    Ich kann das immer gar nicht glauben, was Ihr alles erlebt und übersteht, UNGLAUBLICH!!! Ich habe heute mit Katharina Aufschwung am Reck geübt (und nicht geschafft!..) und kann mich jetzt kaum mehr bewegen; wie krass, was ihr da körperlich durchmacht. Ich denk da nur an die Temperaturen … Aber ab meisten fasziniert mich, wie wenig Kontaktscheu ihr im Umgang mit den Menschen seid und auch, dass Ihr noch keinen Durchfall habt!!! lol …. Ich bin so froh, dass ich das Ganze aus dem sicheren Hamburg erleben darf. Euer Blog ist meine Nachlektüre 😉 Schon beim Lesen sterbe ich 1000 Tode und bin nur froh, dass ihr es aufgeschrieben habt, weil das bedeutet: IHR LEBT NOCH

  5. Olli

    Glückwunsch zu Eurer tollen Tour, Männer! Ich lese mit Begeisterung.

  6. Kai

    Tolle Berichte und seid Euch sicher, dass wir es sehr zu schätzen wissen, dass Ihr uns teilhaben lasst. Ich habe heute 350km im Sattel gesessen und bei herrlichem Kaiserwetter die Schleswig-Holsteinischen Straßen genossen – überall durchgehend Teer ? Naja, meine Guzzi ist mit Stummellenker die und Monohöcker auch nicht unbedingt für Off-Road Fahrten ausgelegt. Obwohl – wie Marius sagt: Straßen sind aus Dreck gebaut. Euch eine sichere Weiterreise und viele nette Begegnungen.

  7. Egon

    Willkommen in meiner Welt!

  8. Klaus und Gruß vom Bodensee

    Unfassbar, wie ihr dabei so ruhig bleiben könnt. Mein Ar…. wäre auf Grundeis gelaufen. Ist auch nicht jeder für so ein Abenteuer gemacht. Man Man, bin gespannt wie eurer Abenteuer weitergeht.

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