Tage 22-25 / Tibet und Mount Everest

Tag 22 / 24. September 2023

Namaste Lhasa (so lautet die Begrüßung in Tibet)! Lhasa ist die Stadt der Mönche, Tempel und Klöster sowie die eigentliche Heimat des „Dalai Lama“, der bekanntlich seit 1959 im Exil in Indien lebt.

Während Bing als Han-Chinese die Rückkehr des Dalai Lama nicht ausschließt, ist Lhotse als Tibeter fest davon überzeugt, dass das nicht geschehen wird. Wir würden uns vermutlich seiner Meinung anschließen.

Philip wacht an diesem Morgen mit einem ziemlichen Dröhnschädel auf. Aber ein unerwartet gutes Frühstück und ein paar leckere Ibuprophen bringen ihn zurück ins Leben.

Ein erster Blick vor die Tür und wir stellen fest, dass Lhasa im Hellen betrachtet anders ist als die Städte, die wir bisher in China bereist haben. Alles ist irgendwie etwas sauberer und auch die Menschen sehen kultivierter aus. Die gebürtigen Tibeter sind rotbraun gebrannt und erinnern an Indianer aus Südamerika. Aber natürlich ist die Hauptstadt Tibets auch ein Touristenmagnet und man sieht neben Chinesen auch einige europäisch wirkende Gesichter.

Als erster Programmpunkt für heute steht die Besichtigung des „Potala Palace“ an. Von hier haben die Dalai Lamas oder einfach nur „Lamas“ jahrhundertelang als geistige Führer ihres Landes regiert. Lhotse spricht deshalb auch immer nur von „seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama“. Der Potala-Palast ist zudem der Wintersitz des Dalai Lama.

Ein Wunder, wie man vor hunderten von Jahren ein solch riesiges Gebäude errichten konnte! Der Palast hat übrigens überhaupt kein Abwassersystem. Man erleichterte sich in Schalen, die mit Sand gefüllt waren. Diese wurden dann regelmäßig entsorgt. Der Palast verfügt über 13 Stockwerke, die über sehr steile Treppen miteinander verbunden sind. Der Weg hier hoch ist bei 3.800 m Höhe immer noch ein kurzatmiges Vergnügen. Das kann man von der Geruchsbelästigung durch ebenfalls dicht anstehende Chinesen nicht behaupten. Noch mehr müffeln allerdings die vermeintlich „echten“ Tibeter. Unzählige Gänge verbinden die ca. 1.000 Zimmer miteinander. Diese wurden früher von diversen Höflingen und Beamten bewohnt. Nur der dunkelrote Teil oben in der Palastmitte diente dem Dalai Lama als Wohn-, Meditations- und Arbeitsstätte. Unter dem Palast gibt es einen Irrgarten, der bei einer Belagerung die Flucht des geistigen Oberhauptes ermöglichen sollte.

Der Palast zieht uns irgendwie in seinen Bann. Wie auch in den Tempeln und Klöstern riecht es überall nach Weihrauch. Im ersten Moment denkt man bei dem Geruch, dass dort einer einen Joint raucht (können wir auch nicht zu100% ausschliessen). Die Decken sind niedrig, die Räume sind dunkel. Die Wände sind oft blutrot, die Pfeiler und Türdurchgänge reich durch Schnitzereien verziert, die bunt und in goldener Farbe angemalt sind. Das Fotografieren im Inneren ist genauso wenig erlaubt, wie später in allen Klöstern und Tempeln. Die Luft ist geschwängert von Weihrauch und Butterkerzen. Die Außenmauern sind von wirklich beachtlicher Dicke, was bei einem solch großen Gebäude nicht verwundert. Wir schätzen bis zu 4-5 Meter zum Teil.

Nur die Empfangshallen für Gäste oder die Räume, in denen die Dalai Lamas beigesetzt sind, sind deutlich höher. Die „Inhouse-Mausoleen“, wenn man sie so nennen mag, heißen „Stupas“ und sind reich verziert und mit sehr viel Gold und Edelsteinen versehen. Claudius lächelte einen der Mönche an, die in ihrem purpurfarbene Umhang/Gewand auf die Räume aufpassen, durch die wir schnöden Touristen uns wälzen. Er beantwortete in gebrochenem Englisch das Lächeln damit, dass er Claudius signalisierte, ihm würde sein Vollbart gut gefallen! Dalai Lama bedeutet übrigens „Weisheit der Ozeane“. Der jetzige 14. Dalai Lama berichtete jedoch, dass er, wie seine Vorgänger den Palast nicht gerne bewohnt haben. Denn er war dunkel und im langen Winter in Tibet doch eher bitterkalt.

Die Stimmung im Inneren des Palastes ist bedrückend und gleichzeitig schwingt überall eine ausgeprägte Spiritualität mit. Viele Gläubige laufen Gebete murmelnd mit gefalteten Händen durch die Gänge. Sie legen ihren Kopf immer wieder an Simse und andere Bauteile vor heiligen Statuen. Claudius war es ein Bedürfnis, ebenso wie die Tibeter, Geld zu spenden bzw. zu opfern und Gebetsmühlen zu drehen. Darin sind Gebete, die mit jeder Drehung quasi ausgesprochen werden.

Als Andenken aus Lhasa haben wir uns jeder einen geknüpften Anhänger als Glücksbringer für die Motorräder gekauft. Aufkleber mit der Flagge von China oder Tibet haben wir bisher nicht gefunden. Wir haben auch in der ganzen Stadt weder in Läden noch an irgendwelchen Laternenpfählen welche gesehen. Ist vielleicht kein Land dafür! Es gibt auch keine Graffitis oder andere Schmiererei, aber da lässt doch die gute Überwachung aller Ecken und Winkel vielleicht auch zu wenig Chance 😉

Am Nachmittag wollen wir ein sehr bekanntes Kloster in der Altstadt besuchen. Leider kommen wir nicht rein, weil die gekaufte Gruppenkarte nicht akzeptiert wird. Man muss jeden einzelnen Besucher unserer Gruppe namentlich registrieren und eine Einzelkarte kaufen, eine Vorsichtsmaßnahme schätzen wir 🙂 Gut, dass dann Gruppenkarten verkauft werden! Regeln können sich hier aber manchmal schnell ändern.

Noch während geklärt wird, wie wir mit den gekauften Tickets verfahren, setzt Regen ein und wir lassen uns von den Polen zum Bier nicht lange überreden. Im Anschluss laufen wir durch den Regen nach Hause, machen ein Mittagsschläfchen und schreiben das Erlebte in Kladde vor.

Tag 23 / 25. September 2023

Einer neuer Tag in Lhasa und wir haben heute Vormittag die Sommerresidenz der Dalai Lamas als Programmpunkt. „Norbulingka“ heißt sie und das bedeutet übersetzte „Luxus und Park“. Von genau hier floh der aktuelle Dalai Lama im Jahre 1959. Viele der Dalai Lamas bauten sich dort einen eigenen Palast. Es sind aber nur einige, wenige zu besichtigen. Das Areal verfügt auch über einen Zoo, der heute eher traurig sein soll. Wir waren nicht drin. Es soll dort ein paar Affen geben und im Wolfsgehege lebt ein Hund und sonst gibt es vielleicht noch ein paar Hirsche. Sonst gibt es nicht viel zu bestaunen. Wo wir gerade bei Tieren sind: Hinter dem Potala-Palast, den wir gestern besichtigt hatten, lebten als Geschenk von indischen Herrschern mal zwei Elefanten – die überlebten aber nur drei Jahre, vermutlich wegen der großen Höhe – fies oder?

Innerhalb des Areals besichtigten wir dann den Palast des aktuellen 14. Dalai Lamas. Das Fotografieren ist, wie immer, nur von außen gestattet. Kopfbedeckungen sind im Inneren abzunehmen und nur angemessene Kleidung, heisst lange Hosen/Röcke, sind zu tragen.

Der heutige Dalai Lama wurde mit 6 Jahren „ inthronisiert“ und floh mit 24 Jahren in Begleitung von nur drei Mönchen verkleidet als normaler Tibeter mit ortstypischer Wollmütze von hier vor den Chinesen.

Die Geschichte Tibets ist sehr komplex. DAS hier haben wir mitgenommen, beziehungsweise es so verstanden (also keine Garantie für Richtigkeit): Tibet war überwiegend Teil des chinesischen Reiches. Formell aber nur 50 Jahre bis 1950 eigenständig. Die politische und wirtschaftliche Macht lag immer bei China. Die spirituelle Macht lag mehr bei Tibet. Von hier aus kamen oftmals die Berater für die chinesischen Kaiser. Damals herrschte ein Priesterkönigtum in Tibet vor. Eigene Rechte an Grund und Boden gab es wenig. Grundeigentümer waren überwiegend die Klöster. Die Menschen arbeiteten dort mehr oder minder freiwillig. Der heutige 14. Dalai Lama erkannte die Notwendigkeit einer Justizreform. Die Chinesen kamen 1950 ins Land. Es wurde ein 17-Punkte-Plan aufgestellt, der die Besetzung untereinander regeln sollte. Dieser Plan mit Regeln wird dann seitens der Chinesen aber so nicht eingehalten und der Dalai-Lama sah sich Angesicht der Bedrohung gezwungen ins Exil zu gehen.

Dieser Ort fasziniert Claudius insbesondere sehr, weil er großen Respekt vor der Religion und dem Dalai Lama hat, den man im Fernsehen gelegentlich zuhören kann. Durch die Kenntnis der Person wird dieser verwaiste Ort erlebbar und das Leid dieses Volkes plastisch.

Nach dem Besuch der Sommerresidenz, zu der wir auf Grund der Entfernung mit den Motorrädern gefahren waren, machen wir uns nach einer kurzen Pause im Hoteauf den Weg in die Altstadt. Den gestern verpassten Programmpunkt wollten wir heute nachholen. Der „Jokhang Tempel“ gilt als der heiligste Tempel im tibetischen Buddhismus. Der Tempel ist mit sehr vielen imposanten Statuen bestückt. Da der Tempel ein wichtiger Pilgerort ist, sieht man außen davor sehr viele Menschen, die immer wieder zwei Schritte gehen und dann auf die Knie fallen, sich flach auf den Boden legen und Gebete sprechen. So kommen sie sogar von weit her oder umrunden zumindest so den Tempel.

Nach der Besichtigung gehen wir dann alle gemeinsam mit unseren Motorradgruppe zum Essen. Philip und Claudius essen ein Yack-Steak. Während dessen fragt Sambor uns, ob wir Wi-Fi haben ? Wir gucken nach und finden einen Hotspot mit dem Namen, den Sambor eingerichtet hat, nachdem er von Claudius „Antennen-Leidenschaft“ gehört hatte: „Anti German very strong…“

Um 18:00 Uhr wird es kühler und Philip möchte das Ventilspiel an seinem Motorrad kontrollieren. Claudius bekommt gewohnt verantwortungsvolle Aufgaben und soll eine möglichst große Mülltüte organisieren, um etwas Öl aufzufangen. Entgegen aller Erwartungen schaffte er das mühelos innerhalb weniger Minuten! Während Philip schraubte, setzte sich Claudius daneben auf sein Motorrad und diktiert das Erlebte vor. So steht er stets für Hilfsarbeiten unmittelbar zur Verfügung.

Abends kehren wir an den Ort unserer Tat zurück: Die „Tibet Family Kitchen“ serviert uns beiden das Abendessen. wir haben großen Spaß dabei, uns beim Essen so zu fotografieren, dass es maximal dämlich aussieht.

Tag 24 / 26. September 2023

Um 7:00 Uhr stehen wir vor dem Frühstücksrestaurant unseres Hotels, aber die Türen sind noch verschlossen. Deshalb entscheiden wir uns, erstmal die Motorräder zu beladen, um die Zeit bis zum Frühstück zu nutzen. Der Koch heißt heute „Schmalhans-Küchenmeister“…. Eine Art Kuchen und schlechten Kaffee steht auf dem Menü. Halbwegs pünktlich um 8:00 Uhr kommen wir los. Nach 60 km kommt die erste Kannen-Tankstelle. Aber hier gibt es nur eine einzige Kanne für zehn Motorräder, mal was Neues! Zwei hübsche Tankwartinnen machen Claudius Komplimente, die Farbe seiner Augen wäre so schön! Endlich mal Fachpersonal! Erst später erfährt er, dass die Damen das zu allen aus der Gruppe gesagt haben. Letzteres ist gemein, von Philip heimlich – aber noch rechtzeitig erkannt – in diesen Bericht eingefügt worden und ist frei erfunden !!!!

 Es gibt einen Polen, der deutliche Probleme mit der Navigation hat. Die Polen nennen ihn Andrew und das fällt auch uns viel leichter. Mehrmals sahen wir ihn am Straßenrand planlos in sein Handy gucken und nahmen ihn mit. In Lhasa kam er erst viele Stunden später in der Nacht an. Sambor und Bing waren extrem happy. Sie hatten deshalb eine Nachtschicht einlegen müssen. Seitdem nannten wir ihn nur noch „den Kaputten“. Ein Bisschen sieht er ja auch so aus. Er hatte sich irgendwie verfahren, war auf den Highway gekommen und an Lhasa vorbeigefahren. Die Polizei hatte dann Kontakt mit Bing aufgenommen. Daraufhin bekamen wir eine Verwarnung. Wenn sich nochmal jemand von der Gruppe entfernt, schickt man uns ALLE zurück! Auch wenn keiner wirklich an diese drakonische Maßnahme glaubt, haben wir heute schon nach 60 km diese einmalige Chance, denn der alte Knabe, der herzensgut ist, fehlt schon wieder! Es könnte daran liegen, dass er in der Gruppe die Navigationsanweisungen nicht versteht. Denn er spricht weder englisch noch chinesisch.

Jetzt fahren übrigens schon drei der Polen mit unserem Aufkleber am Motorrad durch die Gegend! Marketing vom Feinsten. An einem Gletscher, wo wir kurz Mittagspause machen, treffen wir Leute aus Wien. Große Freude auf deren Seite und Anerkennung für uns! Auch Filip wird sofort in ein Gespräch verwickelt. Uns macht es auch Spaß, mal wieder die Muttersprache zu hören. Unser Freund Filip braucht danach direkt eine Sauerstoffdusche bei so viel Charmeoffensive….

Dann geht es von gut 5.000 m auf circa 4.100 m runter in die „Ebene“. Eigentlich ist es ein Tal, in dessen Mitte sich ein Fluss schlängelt. Langsam wird es grüner und wir fahren entlang des Flusses. Am Ende entwickelt sich der immer breiter werdende Fluss zu einem Stausee. Die Bauern leben hier in erster Linie von Reis und Getreide. Überall stehen sie am Straßenrand mit ihren motorisierten Dreirädern- mal am beladen, mal bereit dafür. Wohnen tun die Bauern in kleinen, flachen Häusern, die an den Dachecken geschmückt sind mit kleinen abgestorbenen Bäumen mit buntem Flitter-Flatter-Band darin.

Dies ist einer der schönsten Fahrtag in China bzw. Tibet für uns und schlägt sogar noch die Wüste.

Dann besuchen wir noch ein Kloster, das ca. 90 km vor Shigatse liegt. Mit großer Begeisterung haben wir bisher die Klöster besichtigt. Allerdings muss man sagen, dass sich die Informationen und die Eindrücke doch stark wiederholen. Lhotse und Sambor haben sich kurz vor Ende der Besichtigung von der Gruppe verabschiedet, weil sie noch eine Genehmigung für die Gruppe beantragen müssen, damit wir in die Stadt Shigatse und somit zu unserem Hotel gelangen können.

Auch wenn ein weiterer, gemeinsam zu passierender Checkpoint angekündigt wurde, kamen wir heute aber an keinem mehr vorbei. Die allabendliche Rallye auf den letzten 50 km war heute gegen die Sonne optisch nicht ganz so herrlich. Brenzlig wurde es, als ein LKW, den wir gerade überholen wollten, ein paar Meter vor uns mehrere seiner geladenen alten Autoreifen verlor, die kreuz und quer über die Fahrbahn rollten bzw. hüpften. Unser Ducati-Mann war an erster Position direkt hinter dem LKW und wir an Position zwei und drei. Der Pole hat schnell reagiert und wir hatten zum Glück auch noch ausreichend Reaktionszeit. Statt zu bremsen, zog er am Hahn, war schnell auf Höhe des Führerhauses und konnte so dem Fahrer signalisieren, was passiert war.

Den Abend verbringen wir zu zweit im Hotel-Restaurant, nachdem wir draußen nichts ordentliches zu essen gefunden haben. Claudius kauft noch für sehr günstige umgerechnet 10,00 EUR Kiwis ein. Und ihm fällt just in diesem Moment der Berichtkreation auf, dass er keine Ahnung hat, wo die Dinger geblieben sind. Vielleicht auf dem Tisch im Hotelrestaurant liegen gelassen? Naja gegessen hat er sie auf jeden Fall nicht. Den Abend schließen wir ab mit einer Zigarre auf der Straße. Die Elektroroller werden hier im Sitzen und nicht im Stehen gefahren), die hier fast jeder mietet, sind eine willkommene Sitzgelegenheit. Dann gesellt sich Sambor Junior noch dazu. Eigentlich wollte er nur sein Motorrad zu den anderen in den Innenhof stellen. Aber dann haben wir ihn gekonnt in ein Gespräch verwickelt. Es ging angefangen von Motorrädern bis zum Rest der Welt.
Wir lachten noch gemeinsam über den navigationsschwachen Andrew. Sambor jr. wusste zu berichten, dass er mit dem Motorrad 220.000 km um die Welt gefahren wäre. Claudius scherzte: Der wollte wahrscheinlich nur links die Straße runter zur Tankstelle und kam Monate später die selbe Straße von rechts wieder hoch. Großes Gelächter!

Tag 25 / 27. September 2023

Kaum aufgebrochen, müssen wir schon wieder unsere leergefahrenen Tanks füllen. Wichtig beim Tanken ist natürlich immer die Oktanzahl: 95 ist perfekt, 92 geht auch. Aber alles darunter wird schwierig. Deshalb fand Claudius diese Fotos mit dem vermeintlichen anderen Oktanzahlen sehr lustig!

Wie sooft an Tankstellen werden wir gefragt, wo wir herkommen. Jetzt wissen wir wie es heisst und können fachmännisch antworten: Wir kommen aus „DÖGUAH“ (Deutschland).

Mit vollem Tank machen wir uns jetzt auf den Weg zum mindestens geografischen Tourhöhepunkt in China: Wir fahren zum Mount Everest bzw. zum Basecamp I. Und endlich taucht das große Zugangstor mit der Schranke auf.

Jetzt trennt uns nur noch dieser Schlagbaum und der Ticketcounter von dem majestätischen Berg. Unser Führer Lhotse wurde nicht müde, uns zu erklären, dass der Mount Everest nur offiziell überliefert von einem Europäer zum ersten Mal bestiegen wurde. Tatsächlich hätten es Einheimische schon viel früher geschafft, nur eben für die westliche Welt nicht dokumentiert. Jetzt konnte Claudius dank Trash-TV glänzen: Könnt Ihr euch noch an die erste gewonnene Million bei „Wer wird Millionär“ mit Günther Jauch erinnern? Macht nichts, Claudius schon! Die letzte Frage an den Kandidaten Prof. Eckhard Freise lautete: Wie hieß der Scherpa, der mit Sir Edmund Hillary den Mount Everest als erstes bestiegen hat? Richtig: Tenzing Norgay!!!! Fernsehen bildet eben doch! Claudius bekam dafür ein Bierchen mit Stern in sein Reisetagebuch.

Endlich haben wir das Ticket in der Hand, die Schranke wird geöffnet und wir brausen los. Die Polen haben uns erzählt, dass der Pass vor dem Mount Everest die brutalsten Kurven der Welt haben soll. Aber das, was wir sehen und fahren, ist das Feinste, was was man an Kurven und Panorama erleben kann. Sowas muss uns keine Angst machen, das ist vielmehr unser Revier, wie kaum ein anderes. Die Alpen haben uns schon gelehrt, wie man Kurven fährt. Ununterbrochen rechts, links, rechts, links, rechts, links. Wir lassen sogar eine Afrika Twin hinter uns. Aus den Jeeps winkt man uns zu und man zeigt den Daumen nach oben, wenn wir in den Kurven innen und außen überholen oder auf den Geraden. Wir sind wie im Fieber. Wie zwei BF 109 im Formationsflug trieben wir unsere Maschinen durch die Kurven! Dann erreichen wir die Passhöhe mit knapp 5.200 m. Ein kurzes Foto und wir stürzen uns wieder in Schlangenlinien in die Tiefe. Wir fahren durch ein malerisches Felsentor unter einem Felsvorsprung. Mit diesem Foto hätten wir jeden Fotowettbewerb gewonnen, uns bei einem Stop aber in Gefahr gebracht, weil der nachfolgende chinesische Verkehr halt auch per se ungern stoppt. Bing war da mutiger:

Das nächste „Tor“ war nicht so schön, aber kaum ein Motorradfahrer wird dieses Erlebnis mit uns teilen können: Straßenbauarbeiten – ein Bagger steht quer auf der Straße . Wir fahren zwischen Schaufel und Ketten unter dem Baggerarm hindurch. Fast wie ein Triumphbogen! Wir bitten, die Euphorie zu entschuldigen, aber das ist genau das, was uns in diesen Minuten durch den Kopf gegangen ist.

Dann kam der Moment, den wir uns nicht schöner hätten ausmalen können: Kilometer weit entfernt zeigt sich der Mount Everest in der Ferne, komplett in Schnee gehüllt, bei blauem Himmel, mit weißen Wolken im Sonnenschein.

Im Tal parken wir alle Fahrzeuge an einem Art Busbahnhof. Hier ziehen wir unsere Motorradklamotten aus und lassen (nicht! unbekleidet, sondern Zivilkleidung) die Motorräder stehen und nehmen den elektrischen! ECO-Bus… Wir hätten gerne das Zertifikat in Kopie gesehen. Aber dann würden wir hier unten wahrscheinlich um Mitternacht immer noch stehen!

Unten auf dem Parkplatz stellt uns Lhotse kostenfreie Getränke und kleine Sauerstoffflaschen zur Verfügung. Zusammen mit den drei selbst mitgebrachten Sauerstoffflaschen stopfen wir uns fünf weitere und diverse Wasserflaschen in unsere Taschen. Sicher ist sicher! 🙂 Denn insbesondere auf Sauerstoffnot in der Nacht haben wir überhaupt keinen Bock! Immerhin schlafen wir auf knapp 5.000 m diese Nacht. Rekord! Naja und Dursten ist fast genauso schlimm! Man muss sowieso verdammt viel trinken, um der Höhenkrankheit optimal vorzubeugen.

Unsere Unterkunft ist kein romantisches Zeltlager. Es sind eher Zelthütten als Zelte, die verschieden abgetrennte Schlafbereiche haben. Wir schlafen zu dritt mit Bing in einem durch Spanplatten abgetrennten Raum im Zelt. Eigentlich sollten wir mit vier weiteren Leuten in einem anderen „Zimmer“ schlafen. Dann hatte man Nachsicht mit uns und es wurden nur zwei. Lhotse war aber so nett und hat uns in ein anderes Zelt zusammen mit Bing umquartiert. Hier ist es gut auszuhalten. … Zumindest bis auf die schwarzen Haare auf der Matratze. Die Matratze ist übrigens beheizbar!

Nachdem wir unsere Herberge bezogen hatten, gingen wir zügig nach draußen zu DEM Aussichtspunkt. Die Sonne senkt sich schon und wir wollten unbedingt noch gute Fotos von uns vor dem Mount Everest machen. Besonders beliebt ist ein Stein mit der Höhe des Berges. Die Leute stehen in einer langen Schlange an, um daneben ein Foto zu machen. Wir beschließen, uns nicht auf den Sockel des Steines zu setzen, sondern hochzuspringen und uns links und rechts neben den Stein zu stellen. Wir wurden aber sofort von einem Ordner runter zitiert und nahmen ganz brav Platz…. und haben unser Foto bekommen.

In unserem Zelt war außer uns eine sechsköpfige chinesische Reisegruppe aus verschiedenen Städten des Landes untergebracht. Als sie uns „Langnasen“ entdeckten, wurden wir gleich mit Fragen und Fotowünschen überschüttet. Manche aus der Gruppe sprachen gar kein Englisch, so dass ein Pärchen aus Hongkong für die anderen übersetzte. Sie arbeitet bei einer Fondsgesellschaft und er ist Feuerwehrmann. Dann lud uns die Gruppe spontan zum Hotpot-Dinner ein. Das war mal original chinesisch, was da auf den Tisch kam. Es war zwar nur Fleisch und Gemüse, aber nicht alles schmeckte uns super, insbesondere eine hochgelobte Sesamcreme hat echt mies geschmeckt. Der Bursche neben Claudius rülpste zudem regelmäßig in die Runde. Unter den Chinesen ist das völlig ok. Der Knabe konnte auch schmatzen, lauter als alle anderen zusammen. Auch ok.

Nach dem Essen gehen wir zusammen nach draußen, dort findet jeden Abend eine große Party statt, wie man uns versicherte. Und so war es auch. Gäste des Camps, vorwiegend 30 jähre jünger als wir, haben ein Denkmal in einer Form belagert, dass es wie eine Menschenpyramide aussah. Dazu sangen sie westliche Pop-Songs und leuchteten mit ihren Handytaschenlampen in den Himmel. Das einzige Polizeiauto im Camp schaute sich die Aktion längere Zeit an, um dann aber mit Sirene zu signalisieren, dass der Spaß nun ein Ende finden sollte. Als die Menge nicht gehorchte, fuhr das Fahrzeug bedrohlich auf die „Demonstranten“ zu. Um die Situation aber nicht eskalieren zu lassen, zog es sich dann wieder zurück. Die Staatsmacht hatte kapituliert, oder ein Einsehen…Die Situation war schon besonders, zumindest für das China, wie wir es bislang kennengelernt hatten.

Claudius führte, nachdem der größte Trubel vorbei war, mit dem Polen Waldek (Inhaber einer Firma für Elektrobauteile) eine „hochpolitische“ Diskussion. Auslöser war die deutsch-polnische Freundschaft, die auch wir uns in unserer Gruppe tatsächlich erst arbeiten mussten. Dann schweifen wir ab mit unserem Stammtisch-Gespräch auf die politische Großwetterlage in Europa. Wir sind uns einig, was in Europa, in Polen und in Deutschland schief läuft. Am Ende beschließen wir, dass Waldek polnischer Präsident wird und Claudius Bundeskanzler. Erst dann werden wir beide endlich die Möglichkeit haben, alle Probleme der Welt schnell zu lösen 🙂

Draußen wird es jetzt sehr kalt und wir beschließen wieder in die Zelte zu gehen. Dort trinken unsere Mitbewohner salzigen Buttertee. Claudius soll probieren und wagt es auch. Tee mit Milch ist vergleichbar, der salzige Geschmack erträglich, aber der ranzige Nachgeschmack ist fies, wirklich fies. Claudius bedankt sich nach einem Schluck und lässt den Rest stehen!

Eine weitere Kuriosität: Wir dürfen nicht in unseren Schlafsäcken schlafen, das ist in den Zelten verboten. Es gibt auch Kontrollen und dann bekommt der Aufseher des Zeltes, ein rotbraun gebrannter Tibeter mit Strickmütze, wirklich Probleme. Es ist verboten, weil die Schlafsäcke schnell Feuer fangen könnten, obwohl wir vom Ofen locker mal 10 m entfernt schlafen. Und Bettdecken mit schwarzen Haaren drauf brennen nicht? Keiner versteht es! Also schlüpfen wir mit Jacke, Hose und Schuhen unter die dicken, aber vermutlich nicht 100% sauberen Leinen. Müde genug sind wir und die Höhe macht uns zum Glück wenig zu schaffen.

Dann mal gute Nacht

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Egbert

    Gut dass Ihr selber wisst, wie gut Ihr ausseht, so kommen Komplimente immer an! Eure Fahrkünste sind wirklich beeindruckend, Ihr habt Euch anscheinend auch gut aklimatisiert, wenn Ihr diese Höhen gut übersteht. Eurer Bericht ist mal wieder sensationell gut!!

  2. Axel

    Habe gerade euren gesamten Blog verschlungen, seeehr unterhaltsam!

    Besonders spannend waren natürlich die Grenzübergänge für mich, auch Chile und Argentinien können „Grenze“, unser (Negativ-)Rekord lag bei 4 Stunden…

    Und Respekt dass ihr die Höhe so gut vertragen habt, aber Zigarre habt ihr dann ganz oben wohl eher nicht mehr geraucht 😉

    Also noch ganz viel Spaß und ich freue mich auf den Dia-Vortrag im November 😉

  3. Werner

    Vielen Dank für Eure Berichterstattung ?, macht sehr viel Freude und Spaß zu lesen. Es ist so als wäre ich ein paar Tage dabei gewesen.
    Weiterhin gute Fahrt!!

    Lg Werner

  4. Alexandra

    Ich habe nun alles bereits zum zweiten Mal gelesen…es sind so wahnsinnig viele Informationen und um mir die Bilder so richtig intensiv vor Augen führen zu können, war das notwendig. Einfach unglaubliche Eindrücke und fantastische Bilder! Besonders euer Bericht und die Fotos aus Lhasa und die Bilder vom Mount Everest zogen mich in ihren Bann. Übrigens…ich mag den Weihrauchgeruch sehr gerne! 😉
    Wird eigentlich nur Abends richtig gegessen? Ich frage, weil es immer nur so gruseliges Frühstück dort gibt…uaaa.
    Ich drücke euch die Daumen, dass ihr nicht noch größere Probleme wegen Filip und Robert bekommt. Die Zwei finde ich egoistisch und schwierig.
    Ganz liebe Grüße aus dem völlig verregneten Schenefeld

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