Tage 19 – 22 Aktau im Zeitraffer

Tag 19 (25. Mai 2022)

Es ist wenig los in Aktau! Im „Stadtanzeiger von Aktau“ steht auf der ersten Seite:
„Der Spediteur der beiden deutschen Profis mit den Motorrädern hat angerufen, dass die Motorräder in Aserbaidschan durch den Zoll sind“  🙂 Endlich ein Schritt nach vorne!

„Was machen wir heute denn mal?“, fragten wir uns morgens beim Frühstück. Kurzerhand suchte Claudius via Google ein Reisebüro heraus, damit wir dort vielleicht einen Auslfug buchen können. Claudius übernahm die Navigation und führte uns auf der kürzesten Route zu dem von Google angezeigten Ort. Und dort war: KEIN Reisebüro. Zumindest haben wir dort keinen Hinweis auf eines gefunden. Wir fragten zwei dort sitzende junge Männer nach einem Reisebüro, aber die schickten uns dann Richtung Hafen. Dort, in einem Hotel, fanden wir einen Stand, der vielversprechend aussah. Doppeldecker-Busse, Jeepausflüge und ähnliches waren dort abgebildet. Wir fragen die freundliche Dame nach den Angeboten und sie führte uns daraufhin höchstpersönlich zum Hafen, wo wir dann für eine Stunde eine kleine Bootstour machen konnten.

Nach der Bootstour hielten wir kurz „Siesta“ im Hotel und machten uns dann wieder auf den Weg. Bei dem tatsächlich 12 km langen Spaziergang an der unglaublich breiten Strandpromenade kommen wir bei einem kleinen Café-Truck mit dem „Barista“ ins Gespräch. Er war eigentlich Skipper für Segel-Yachten und sehr aufgeschlossen. Er würde gerne in Europa arbeiten und wollte wissen, wo es am besten ist. Am Ende lud er uns zu dem Kaffee ein. Wir beendeten den Tag bei einer Pizza in unserem Hotel und fielen dann satt und müde in die Betten.

Tag 20 (26. Mai 2022)

Endlich mal wieder Motorrad fahren! Wir hatten uns zwei kleine Enduros mit 300 Kubik geliehen (Für die, denen das nichts sagt: Unsere Motorräder haben 1000 Kubik, sind also entsprechend „kräftiger“ ,aber auch einiges schwerer). Der Vermieter holte uns aus reiner Freundlichkeit persönlich ab. „Damit Ihr es komfortabel habt“ hatte er uns geschrieben (zumindest lauf Google Translate). Diese Freundlichkeit und Gastfreundschaft kommt auf den ersten Blick hier in Kasachstan manchmal nicht sofort rüber, ist uns aber sehr oft begegnet. Die Motorräder waren in einem wirklich sehr guten Zustand. Nach den ersten Kilometern bekamen unsere China-Kracher jedoch kein gutes Zwischenzeugnis. Das Fahrwerk war eine Katastrophe. Wenn schon Schlaglöcher für eine Geländemaschine ein Problem sind, dann wird es später im Gelände wahrscheinlich zum Rahmenbruch führen. An diesem Tag sind wir in das Hinterland nördlich von Aktau gefahren. Die Bilder sagen alles, der absolute Hammer! Am Ende des Tages hatten wir über 400 km auf den kleinen „Affenschaukeln“ abgespult. Und an die etwas einfache Technik haben wir uns, sagen wir mal gewöhnt, aber Spass gemacht hat es trotzdem.

Wegen dieses Ausfluges wissen wir nun für unsere weitere Reise, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, hier eine Tankstelle mit Benzin zu finden. Die sind eher rar gesät. Google Maps brachte uns immer zu den Tankstellen. Gab es dort kein Benzin, fragten wir immer „Zabravka – Benzina?“ dann wurden wir wieder auf Grundlage von Google Maps zur nächsten Tankstelle dirigiert. Sehr oft findet man halt nur Gas-Tankstellen (LPG), weil in Kasachstan und später noch mehr in Usbekistan, sehr viel Gas gefördert wird. Das wird natürlich gerne gleich günstig im Land verkauft. Unsinniger Weise findet man manchmal drei Stück im Abstand von 150 m. Das Benzin ist mit 0,50 € gerade noch erschwinglich, Wenn man es denn endlich gefunden hat!

Nur Claudius‘ Motorrad hatte eine Handyhalterung für die Navigation. Die Vibrationen am Lenker haben jedoch den Bildstabilisierungssensor seines iPhone 12 in die ewigen Jagdgründe geschickt. Das iPhone vibrierte und das Bild flackerte wie wild. Das wussten wir nicht, konnten es aber im Internet dann schnell nachlesen. Es kommt wohl nur bei den neueren iPhones ab Modell 10 und neuer vor.

Auch auf dieser Tour hatten wir unglaublich viele tierische Begleiter: Sehr viele halbwild oder wild lebende Pferde und Kamele (hunderte), ein Erdmännchen, ein paar Hunde und eine tote Schlange. Letztere begleitete uns nicht so lange.

An einer Tankstelle kam ein Anruf von Slava: „Übermorgen kommen Eure Motorräder an mit der „Zafira Alieva“ in Kyrik (70 km südlich von Aktau). Leider mussten wir noch einen Aufschlag bezahlen, weil die Mitarbeiter von Slava unsere Motorräder 2,5 km vom Entladepunkt des LKW’s zur Fähre schieben mussten. Und das ist bei 200 Kilo Lebendgewicht ganz sicher keine Freude gewesen! Direkt im Anschluss hatten wir auch unsere Freude: Wir bekamen über WhatsApp zwei Fotos von den Motorrädern auf der Fähre. Sie hatten diese einfach auf einem Oberdeck mit Seitenständer abgestellt – keine Sicherung durch Seile oder Keile. Da stellen sich jedem deutschen Motorradfahrer die Nackenhaare auf – willkommen in Asien – scheißegal geht dann halt irgendwie auch, dachten wir!

Tag 21 (27. Mai 2022)

Wir gammeln, latschen, latschen, latschen durch Aktau auch wieder über 10 km, vielleicht auch 15 km um einzukaufen, zu essen und um Motoröl zu kaufen. Der Hunger von Claudius‘ Motorrad wird sicherlich nicht weniger geworden sein. Außerhalb der Stadt hatten wir einen „Ölhändler“ ausfindig gemacht und mit ihm auch schon von Tiflis aus per Mail Kontakt gehabt. Weil uns die Füße brannten, fragten wir nach einem Taxi. Er zeigte nur auf die Straße und sagte: „Privat Taxi“! In Deutschland würde man das „Trampen gegen Entgeld“ bezeichnen. Für circa 15 Minuten Fahrt betrug der angemessene Fahrpreis, wie der Ölhändler sagte, maximal 1000 Tenge, also € 2. Wir hatten Glück, ein Rentner mit einem blitzsauberen Auto in Golfgröße nahm uns mit.

Tag 22 (28. Mai 2022)

Der langersehnte Tag an dem wir unsere Motorräder wieder in Empfang nehmen können. Wir gingen davon aus, dass das Schiff pünktlich ausgelaufen war. Schwerer Fehler! Deshalb standen wir schon um 5:30 Uhr auf und waren um 8:00 Uhr am Fährhafen in Kyrik, das ca. 90km südlich von Aktau liegt. Die Taxifahrt war mit umgerechnet 18 Euro nicht zu teuer. Die paar Gebäude machen einen sehr neuen Eindruck.  Das bestätigte sich nach einer Internetrecherche. Er wurde erst Ende 2016 eingeweiht. Aber alles ist ziemlich ausgestorben, nur auf dem nahe gelegenen LKW Parkplatz tobt das pure Leben.

Philip schließt gleich Freundschaft mit einem sehr ordentlichen Zollbeamten und der erzählt, dass die Fähre erst um 23:00 Uhr erwartet wird. Na super! 100 m weiter liegt das „Port-Hotel“. Da die Rezeption noch nicht besetzt ist, versuchen wir auf der Bank davor die Zeit rumzubringen und eine Mütze Schlaf zu nehmen. Eine junge Dame kam vorbei und erzählte uns via Übersetzungsgerät, dass „das neue Mädchen“ in 1 Stunde da wäre und dann könnten wir Zimmer mieten. In der Zwischenzeit könnten wir im Warteraum warten. Da pennten allerdings schon drei Leute quer über den Sitzen. Der Raum war nur 20 m² groß und brauchte keine weiteren Besucher, meinten wir! „Das neue Mädchen“ kam dann auch eine halbe Stunde später in Form eines jungen Mannes 🙂

Richtig teuer war das Zimmer für uns beide mit 17 € nicht, aber die Kopfkissen konnte man auch nicht anfassen. Insofern ist der Preis durchaus angemessen! Das ganze Zimmer war eine 3-Bett-Asien-Trucker-Unterkunft. Und das WLAN reichte auch nicht bis ins Zimmer und da der Hafen „far away from the middle of nowhere“ liegt – auch kein Handynetz. Also zumindest nicht für uns.

Um etwas zu essen und zu trinken, mussten wir rüber zum LKW-Parkplatz. Dort gab es nur einen Container, den man von außen kaum als Imbiss erkennen konnte. Das änderte sich schlagartig, als man die Tür öffnete. Der schlimmste Küchenmuff schlug einen entgegen! Drinnen saßen ca. 10 Männer bei Selbstgekochtem, Bier (es war 11:00 Uhr) und anderen Sachen, die wir uns nicht trauen würden zu essen.

Hier sprach uns auch ein Spanier an, dem Philip im Warteraum des Hotels sein Handy-Ladekabel geliehen hatte. Er stellte uns zwei Bierdosen auf den Tisch, was für uns gleich eine doppelte Überraschung war: Zum einen war das wirklich nett und zum anderen hatte Philip sowieso nicht damit gerechnet bei diesen Typen hier, dass das Ding wieder zurück kommt. Brav reihten wir uns ein, und machten die Dosen auf, prosteten dem Spanier zu und tranken brav unser Bier. Wie gesagt: 11:00 Uhr morgens. Nicht dass wir noch nie um diese Zeit Bier getrunken hätten – nur ist das eher 25 Jahre her 🙂

Als wir uns danach zum Verdauungsschläfchen hinlegen wollten, sprang Philip plötzlich auf. Eine kleine Herde von den besagten frei lebenden Pferden kam spontan vorbei, um sich auf den Parkplatz vor der Zollabfertigung das wenige Grün fressen, das dort wuchs. Sie waren aber sehr scheu und ergriffen sofort die Flucht, wenn man sich auf unter 15 m näherte.

Wir vertreiben uns die Zeit mit einem großartigen Hörspiel von Hape Kerkeling („Ein Mann, ein Fjord!“). Dieser total durchgeknallte Humor brachte uns sehr gut über die Zeit. Wir haben immer wieder schallend gelacht. Wir konnten das Näherkommen der Fähre quasi live auf einer App beobachten, die den Schiffverkehr auf dem Kaspischen Meer anzeigte. Um 16:00 Uhr war die Fähre vor dem Hafen und legte an. Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass es ja nun auch bald losgehen müsste und wir weit vor 23:00 bereits wieder im Hotel sein könnten…

Nur mit viel Geduld und Hartnäckigkeit schaffen wir es dann endlich, den begehrten Zugangsausweis zum Hafengebiet zu bekommen. Da war es bereits 20:00 Uhr. Zuvor waren wir mehrfach an einem Beamten gescheitert, der auf seinem Handy lautstark Baller-Spiele spielte, als er uns nur halbherzig (nicht) bediente. Erst ein Zollbeamter in Uniform schaffte es nach unglaublichem hin und her. Gehen Sie hier hin, gehen Sie dorthin, warten Sie!

Tatsächlich standen wir dann erst um 23:30 Uhr vor der Fähre und wurden nach kurzem hin und her auf das Schiff gelassen. Die Motorrädern waren in keinem Top Zustand. Sie waren total verdreckt, der rechte Spiegel bei Claudius Maschine war abgebrochen und es fehlte ein Zurrgurt für den Tankrucksack. Aber immerhin hatten die Motorräder wohl die Fahrt im Schiff gut gesichert verbracht und nicht freistehend an Deck.

Der Weg rein in das Hafengelände war ja schon langwierig und kompliziert, der Weg raus aus dem Hafen- und Zollgebiet sollte zwar zeitlich kürzer, aber noch komplizierter werden. Wir benötigen auf einem Papier drei Stempel für die Militärkontrolle, die gezahlten Hafen-Gebühren und die Zolldeklaration der Motorräder. Während dieser Prozedur muss man ununterbrochen seine gesamten Papiere wieder vorlegen und bekommt weitere dazu. Wir sehen durchaus Potential den Ablauf deutlich zu verschlanken. Aber die Leute vor Ort sind freundlich, wenn man ihnen auch freundlich gegenüber tritt. Und trotz aller Kritik am aberwitzigen Prozess machen die Leute sehr gewissenhaft ihre Arbeit.

In der Zollverwaltung wurden wir im wesentlichen von einem jungen Mann betreut, der etwas Deutsch sprach. Als er uns wieder mal bat, zu warten, hat es Claudius geritten und er fragte ihn, ob wir denn dann schon mal die Speisekarte haben könnten!? Die Kollegen fingen gleich laut an zu lachen, aber der junge Beamte schien den Witz nicht richtig verstanden zu haben.

Die „Abschlussbesprechung“ machte der Chef mit uns. Er trug einen hellblauen Camouflageanzug und machte erst auf ganz hart. Er hat sehr schnell klargestellt, dass er kein Englisch spricht. Und dass er es mutig findet, dass wir ganz ohne Sprachkenntnisse nach Kasachstan reisen. Parallel zu uns wurden türkische Lastwagenfahrer abgefertigt. Mentalitätsbedingt haben sie mehr „Temperament“ und äußerten ihren Unmut über die Warterei ausgesprochen lautstark und nachhaltig. Am Ende waren wir bei unserem Chef mit unserer ruhigen verbindlichen Art aber erfolgreicher. Langsam taute er auf. Er sprach plötzlich hervorragend englisch und erzählte von seiner Zeit in England. Auch einige Brocken Deutsch gab er zum Besten. Am Ende musste er noch final unsere Maschinen inspizieren. In diesem Stadium unser Zusammenarbeit wollte er sich gar nicht mehr trennen und fragte sogar, ob wir noch eine Zigarette mit ihm rauchen wollen. Wollten wir aber nicht, denn wir wollten nur endlich los. Als wir endlich das Hafengelände in Richtung Schranke verlassen durften, winkte er mit beiden Armen über dem Kopf hinterher. Wir fuhren also vor die Schranke. Daneben saß ein Soldat, der vorne übergebeugt offensichtlich eingeschlafen war. Wir standen einen Meter neben ihm mit jaulenden Motoren, aber der Kerl wachte nicht auf! Erst nach einer gefühlten Ewigkeit (10 Sekunden 🙂 kam ein anderer Kollege aus dem Häuschen daneben. Der fragt uns doch glatt, ob wir noch etwas Geld hätten oder Zigaretten!? Als wir das verneinten, ging der Schlagbaum hoch. Für einen Europäer unglaubliche Verhältnisse bei der Abfertigung.

Noch mal zusammen gefasst: Die Fähre legt um 16:00 Uhr an und wir verließen um 1:30 Uhr nachts das Hafengelände. Nicht schlecht, oder?

Wir holten noch kurz aus dem Zimmer unsere Motorradklamotten und die Taschen und schnallten alles auf die Motorräder. Der Chef hatte uns eigentlich davon abgeraten nachts zu fahren, da es auf den 90 km nach Aktau ohne Straßenlaterne stockdunkel sei und schlecht zusehende Tiere die Fahrbahn kreuzen könnten. Aber wir wollten endlich hier weg und wieder in unser Hotel nach Aktau! Hoch konzentriert fuhren wir durch die Nacht, ohne einem einzigen Pferd zu begegnen. Um 3:00 Uhr fielen wir dann todmüde in die Betten.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Patrick

    Stuhlmann, ich bin stolz auf Dich!* Zuerst dachte ich ja, die grösste Herausforderung wäre der Koriander, aber zwei Motorräder in Vorderasien zu verschiffen und hoffen, dass sie wieder ankommen ist schon noch eine andere Nummer. Chapeau!

    Tolle Berichte und Fotos, ich freu mich schon auf die nächsten Etappen

    *auf Claudius bin ich natürlich (unbekannterweise) auch stolz 🙂

  2. Alexandra

    Puh…alleine beim Lesen des Berichts habe ich 2 graue Haare mehr bekommen und 2 Jahre meines Lebens verloren! Ich glaube, ich wäre von genervt-sein in Verzweiflung gerutscht, hätte schließlich einen hysetischen Lachanfall bekommen um mich dann abschließend zu betrinken. *lach* Die „besten“ Geschichten schreibt das Leben!! Ihr meistert das fantastisch! Und definitiv bringt euch eure ruhige, gelassene, freundliche und humorvolle Art immer wieder weiter und entwaffnet die Leute. Nach der Reise bekommt ihr einen vergoldeten Buddah von mir 🙂 Ganz liebe Grüße

  3. Egbert

    Zu den abhanden gekommenen Teilen der Spruch aus Lateinamerika zur Beruhigung: Das Meiste müssen sie uns bzw. Euch ja lassen!

  4. Axel

    Schön das Ihr jetzt auch schon zu „Profis h.c.“ ernannt worden seid…

    Und btw eine sehr gelungene Vergrößerung der Blog-Zielgruppe: Pferde, Wassersport und Moped in einem einzigen Bericht 😉

  5. R. Sch.

    Hallo Herr Ebhardt, es ist sehr interessant die ausführlichen Berichte zu lesen. Als wenn man auf dem Bock mit dabei ist, bitte weiter so ausführlich.

Schreibe einen Kommentar