Tage 14 & 15 – No Problems, No Water, No Internet, No Toilet

Tag 14 –

Wir möchten uns zwischendurch sehr herzlich für die vielen netten Kommentare auf unserer Homepage und per WhatsApp bedanken. Das erste Mal in unseren Leben verstehen wir Schauspieler. Du gibst du dir unglaublich Mühe, aber du kriegst keine Resonanz vom Publikum, wenn man seine Werke „asynchron“ ausstrahlt. Das große Lob bekommen wir über Eure Kommentare, und jedes Mal werden Kommentare von uns groß gefeiert! Vielen Dank dafür!

Wenn Ihr die Bilder der letzten Tage seht, denkt Ihr sicher, dass wir hier eine wirklich schöne Zeit als Touristen haben. Haben wir auch! Aber dafür sind wir nicht wirklich angetreten. Wir wollen auf staubigen Pisten unterwegs sein und uns von den sich abwechselnden in Kulturen, Menschen und Eindrücken berauschen und durch die Mangel drehen lassen. Stattdessen sitzen wie hier fest. Wir machen das Beste draus – aber haben Hummeln an der Gashand!

Wir hatten die Motorräder in einem Hinterhof untergestellt. Während Philip mit dem Transportunternehmen verhandelte, besorgte Claudius ein paar Blumen und eine Packung Merci und machte sich auf den Weg zu dem Hinterhof. „Blumen für Deine Mutter und deutsche Schokolade für Euch beide als kleines Dankeschön!“ kommentiete Claudius die Übergabeprozedur.
Luke war total gerührt und die Mutter freute sich sehr über die Blumen. Ich denke, wir haben als Deutsche hier einen guten Eindruck hinterlassen. Was uns beiden immer sehr wichtig ist. Aber auch gut, dass die nicht immer verstehen, was wir manchmal sagen 🙂

Dann ein kleines Etappenziel: Wir haben die offizielle Genehmigung von Kasachstan zur Einreise unsere Motorräder bekommen.

Nach einer Frist von drei Tagen hatten wir endlich unseren Termin beim Notar. Stellt euch ein verfallenes Mehrfamilienhaus vor. Das Notariat hatte die Größe einer 2-Zimmer-Wohnung in stark renovierungsbedürftigem Zustand. In einem Zimmer saß die Notarin. Eine attraktive Frau, gut gekleidet. Das Vorzimmer wurde beherrscht durch eine sehr gut genährte Mitarbeiterin, oder Vorzimmerdrachen. (Anmerkung Philip: Hier musste ich leider die etwas despektierliche Wortwahl von Claudius „korrigieren“, warum lest ihr gleich… aber sagen wir mal so: Freunde werden die beiden nichr mehr…)

Claudius fragte gleich zu Beginn, ob er die Toilette einmal benutzen dürfe. Ihre Antwort, also die von dem Drachen kam promt wie aber auch unerwartet: NEIN!! Der Unterton schaffte auch Klarheit darüber, dass die Diskussion zu diesem Thema hiermit beendet sei. Nach 1,5 Stunden Wartezeit fragte Claudius noch mal nach, diesmal aber eine andere Kollegenin, Er ist ja nicht doof! Diese musste den Drachen dreimal fragen, bis sie vom Drachen eine Antwort bekam: NEIN! Ihr könnt Euch vorstellen, dass Claudius in der Tasche nicht nur ein, sondern mehrere Messer offen hatte! Wäre das in Deutschland passiert, hätte Claudius die „Süße“ gefaltet wie einen Papierflieger. Und dann hätte sie so viel Schwung bekommen, dass sie trotz ihres Gewichtes bis Oklahoma geflogen wäre. Aber wir brauchten diese verdammte Bestätigung, um irgendwann mal hier rauszukommen. Dann endlich nach 2 Stunden durfeten wir zwölf Dokumente handschriftlich mit unserem Namen versehen. Eine Unterschrift im klassischen Sinne, war nicht ein einziges Mal erforderlich.

Unser Anschlusstermin war beim Transportunternehmen südlich außerhalb von Tiflis. Wir packten also unsere unsere Motorradkoffer und wuchteten sie unten an die Straße. Jeder Koffer wiegt 15-20 kg, zogen unsere Motorradsachen an und los ging’s.

Direkt von der Autobahn fuhr man auf eine Tankstelle und hinter der Tankstelle war ein großer Parkplatz mit sicherlich 200 PKWs. Dauernd kamen obskure Gestalten mit neuen Fahrzeugen an und andere fuhren weg. Ein muskelbepackter Typ sprach sogar ein paar Worte Deutsch. Bei den anderen handelte es sich vermutlich um Kasachen, so hing auch hinter dem Schreibtisch des Chefs eine riesengroße Fahne von Kasachstan. Wir hatten ihn draußen getroffen. Zu unserer riesengroßen Freude sollten wir die Koffer wieder mit nach Hause nehmen, denn der Zoll in Aserbaidschan würde sicherlich in die Koffer gucken wollen und dazu würden sie alles rausreißen und später nicht mehr ordentlich einräumen oder es würden Sachen fehlen. Das war dem Spediteur zu unsicher. Also war das Geschleppe ganz vergebens – hurra kurze Sportübung.

Von Slava hatten wir Übergabeprotokolle bekommen. Hier sollten Vorschäden an den Motorrädern eingetragen und unterzeichnet werden. Die Jungs haben sich hinter vorgehaltener Hand über solche deutschen Methoden offensichtlich lustig gemacht. Aber irgendwie schienen sie uns komische Vögel zu mögen. Dann ging der Chef voraus in den Büropavillon und wir hinterher. Wir hatten noch den Papierkram mit den notariellen Vollmachten und Kopien von unseren Pässen anzufertigen. Außerdem mussten wir den Jungs unsere Originale der Fahrzeugscheine aushändigen. Ein komisches Gefühl. Aber Slava, der immer wieder über das Handy dolmetschen musste, meinte, er würde den Chef von denen allen kennen und es würde schon in Ordnung gehen. Haben wir übrigens schon erwähnt, dass wir weder mit den Jungs vor Ort oder mit Slava einen schriftlichen Vertrag haben? Aber was hatten wir für eine andere Wahl – und man muss auch mal mutig sein… Uns flogen beim reingehen fast die Augen raus, der Chef hatte hinten im Gürtel eine 9mm Pistole stecken. Philip als Jäger wusste sofort Bescheid. Er fragte ihn auch gleich direkt, wozu er die denn brauche? Seine Antwort: „Für Problem!“. Claudius zeigt daraufhin freudestrahlend und etwas vorlaut auf sein Taschenmesser, das er in einer kleinen Ledertasche am Gürtel befestigt trägt: „Ist auch für Problem!“ Ein mildes, aber auch abfälliges Lächeln vom Chef beendete das Thema. Der Vorzimmerdrache und der Chef hatten wohl den selben Rethorik-Kurs besucht. Man hätte sowieso auf diesem Autohof auch ohne Statisten und Schauspieler einen Tatort über Autoschmuggel und alle anderen Arten von Gesetzesbrüchen drehen können. Die Kulisse war perfekt.

Unsere Frage, wie lange der Transport denn dauern würde, brachte erneut unseren Zeitplan in Schieflage: 3 Tage bis Baku (für 500km Strecke), weil die Abfertigung der LKWs so lange dauert. Danach kommen 3 Tage für Fährfahrt (ohne eventuelle Wartezeiten auf die Fähre), 1Tag für das Beladen, 1Tag für die Überfahrt und 1 Tag Entladen, Zollformalitäten und Auslieferung! Somit sind wir etwa bei einer Zeitverzögerung von 2 Wochen, was für ein Mist! Vielen Dank Aserbaidschan, Finden wir echt ganz super von Dir!

Einer von den Kapeiken fährt uns nach Hause. Zu Hause angekommen, setzen wir uns in unsere Schaltzentrale (Küchentisch) und müssten dringend klären, wie wir mit sieben Gepäckstücken fliegen können. HA!- endlich mal Glück: Das Internet fällt aus! Philip kommuniziert mit dem Vermieter per WhatsApp und sie einigen sich darauf, dass Philip das Callcenter des Providers anruft. Der Schaden liegt aber nicht bei unserem Router, sondern irgendwo in der Straße und man arbeitet daran. Wann die Leitung repariert sei, weiß man noch nicht, aber wohl spätestens bis morgen.

Zum Ausklingenlassen des Abends und um etwas zu Essen zu jagen, machten wir uns auf den Weg in die Altstadt. Wir kamen dabei an einer hübsch erleuchteten, kleineren Kirche vorbei. Der Weg führte uns auch an verschiedenen Autovermietungen vorbei, die zum Teil Ihr Angebot an rassigen Sportwagen direkt vor dem Eingang hatten.

Tag 15

Und so war es auch, zum Frühstück funktionierte dieses Internet wieder. Ran an das Thema Gepäck: Philip telefonierte auf Englisch und Russisch mit einer Frau von der kasachischen Airline „SCAT“. SCAT gehört nicht zur direkt zu „Star Alliance“, sondern eher zum Verbund namens „Never come back“. Da Philip meint, dass er mit einem Callcenter spricht, fragt er die nette Dame namens “Alla“ nach einem Kollegen, der vielleicht Englisch sprechen könnte. Antwort: “I am alone!“ Ähmm, what? Dann bricht das Telefonnetz zusammen. Per WhatsApp telefoniert Philip mit Vitali, einem alten Kollegen aus Osnabrück, der kasachische Wurzeln hat, mit der Bitte um Kommunikationshilfe. Er rief uns dann auch nach 10 Minuten zurück. Großer Lacher: „Die kannten Euch da schon, ich musste gar nicht mehr viel erzählen! Er hatte aber erfahren, dass das mit dem Übergepäck kein Problem sein wird und es sich auch kostenmäßig im Rahmen halten werde. Er empfahl uns, zum Flughafen zu fahren und vor Ort zu buchen. Gesagt, getan und wir saßen im Taxi. Am Counter von SCAT angekommen, begrüßte uns hinter der Scheibe eine rot gefärbte Halbschönheit. Wir brachten unsere Frage zum Übergepäck vor. In dem gleichen Moment, indem uns die Frau lächelnd erklärte, dass sie das Thema schon kennen würde, sahen wir an der Wand ein Diplom auf den Namen „Alla so und so“ hängen. Es ist doch unglaublich, dass eine Mitarbeiterin das gesamte Callcenter und den Schalterbetrieb von SCAT in Georgien abwickelt, oder? Die Dame sprach allerdings gar nicht so schlecht Englisch – sie musste wohl nur etwas auf Betriebstemperatur kommen. Wir fanden auch noch eine Werbung von TAV, die uns von der Kernaussage nicht ganz schlüssig erschien… „Wir lieben die Welt in Grün“: Vor dem Jet Bäume, dahinter keine (mehr) – und wenn der Jet weiterrollt, sind die auch noch weg…

Als wir wieder zu Hause waren, kauften wir erst mal was ein und bereiteten uns ein „Männer“Omelette mit Käse, Würstchen und Oliven. Das dauernde Essengehen geht ziemlich ins Geld. Auch wenn das hier deutlich günstiger ist.

Plötzlich gab es draußen einen Knall und gleichzeitig einen Schrei. Wie in der Lindenstraße wurde sofort das Fenster aufgerissen, ein Kissten auf die Fensterbank gelegt und gegafft. Leider war das bereits der zweite Hund auf unserer Reise, der von einem Auto erwischt wurde. Auch er hat wohl am Ende nichts davon getragen. Der Besitzer, ein kleiner Junge, kümmerte sich genauso toll wie die Autofahrerin und die Polizisten in der Nähe. Also wieder Kissen rein und Fenster zu. Ganz wie in der Lindenstraße!

Aber der Katastrophen noch nicht genug: Während wir diesen Beitrag schreiben, fällt die Hauptwasserversorgung von Tiflis komplett aus. Jetzt ist es 17:00 Uhr und bis morgen früh um 8:00 Uhr wird es laut Internet kein Wasser geben. Was macht man da? Philip nimm die Beine in die Hand und rennt rüber zum SPAR-Laden, der hier wirklich so heißt wie früher bei uns. Wir dachten, es wäre gut, sich einen mittleren Vorrat an stillem Wasser zuzulegen. Vielleicht horten wir auch gleich noch Toilettenpapier, Mehl und Hefe. Kennen wir ja von Zuhause.

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Armin

    Eure Gelassenheit möchte ich haben 🙂

  2. Claus

    Am Ende der Bahn 27 müsste 09 stehen – und zwar andersrum. Fliegt mit denen lieber nicht.

  3. Dietrich (Ostertun)

    Seit Tagen lese ich begeistert die Berichte. In Gedanken reise ich mit. Super, vielen Dank! Ich staune über die Abenteuerlust und Leidensfähigkeit. Und ich wäre so gern dabei – der blaue Himmel, das Panorama, die Leute. Super. Bitte für die Hiergebliebenden mitgenießen und weiter berichten. Wenn es in Tiflis Probleme gibt, könnte ich evtl. helfen, ich habe in der Familie jemanden aus Tiflis, dann bitte Bescheid geben. Herzlichen Gruß aus Hamburg!!! D.O.

  4. Alexandra

    Ihr Lieben…ich sitze hier bei der Blutspende und lese euren Eintrag… Das ist Abenteuer pur! Hilfe! Ich schwanke wirklich zwischen, mitfiebern, mulmiges Bauchgefühl und Lachen während des Lesens. Man wird sich dann auch wieder bewusst, wie gut wir das in Deutschland haben, mit all unseren klaren Regeln und Vorschriften. Und Respekt, dass Claudius mit der randvollen Blase noch die Koffer schleppen konnte (ein Applaus für den Beckenboden*lach). Ich „sammle“ ja derzeit auch Lieblings-Pics eurer Reise…eins davon ist definitiv euer Foto mit Alla beim never-come-back Schalter ? Claudius lacht wir ein Honigkuchenpferd und Philip ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben! Erhaltet euch eure Gelassenheit und für heute ganz viel Erfolg, Spaß und gutes Essen! Ganz liebe Grüße

  5. Axel

    Wie üblich ein toller Bericht!! Ich hoffe das Ihr auch mal wieder zum Fahren kommt 😉

  6. Birte

    …..und Öl! Vergesst das Öl nicht ? im Zweifel auch zum eintauschen – oder zum schmieren der Gelassenheit- sollte es doch mal etwas holperig werden ?
    Gutes Gelingen!!!! Vielleicht ist die Zeitangabe ja doch auch eher rudimentär und es geht etwas schneller?! Alle Daumen sind gedrückt- und nur nicht die gute Laune verlieren ???

  7. Johannes

    Wir lesen auch immer ganz fleißig und sind schon sehr gespannt wie es weiter geht bei Euch! Was macht ihr denn jetzt mit der Verzögerung? Drücken euch fest die Daumen dass alles gut klappt! Viele liebe Grüße von Föhr! ?

  8. Peter

    …..mir reicht ja schon zum Ausrasten die wage Vermutung, mitten in Deutschland, am Abend eventuell einen Businessflieger nicht mehr zurück nach Hamburg zu bekommen und dann lese ich, wie ihr mit diesem ganzen Chaos zurechtkommt……mein Respekt wird immer größer, von Tag zu Tag!
    By the way; der Schreibstil ist super! Die Kosten der Reise könnt ihr später mit dem Verlegen eines Buchs wieder reinholen!

  9. Addi

    Unglaublich was Ihr erlebt, ich bewundere Euren Mut und Abenteuerlust. Wie schön, dass Ihr diese Reise macht; was hättet Ihr alles versäumt!! Im Vergleich zum Alltag inhaliert Ihr das Leben gerade bis zum Bauchnabel. Und man sieht, was für einen Spaß es Euch macht. Ich freue mich für Euch und bin stolz auf mein Bruderherz ❤️
    Ich drücke die Daumen, dass alles klappt!

Schreibe einen Kommentar