Tag12
Wir waren uns ja schon darüber im Klaren, dass wir in Tiflis etwas Org-Zeit benötigen werden, damit Slava alle Formalitäten für den Weitertransport der Motorräder erledigen kann. Der weitere Reiseplan ist wie folgt: Die Motorräder werden auf einem LKW bis zum Hafen nach Baku transportiert. Dabei verlassen sie Georgien ohne uns und es müssen daher entsprechende Zollformalitäten erledigt werden. Im Hafen von Baku wird dann ein Mitarbeiter von Slava die Motorräder in Empfang nehmen und den folgenden Weitertransport der Bikes per Fähre mit Übergabeprotokoll nach Aktau / Kasachstan überwachen und begleiten. Das formelle Prozedere ist dabei recht kompliziert hier in Asien, denn wir müssen dazu bei einem Notar übersetzte Genehmigungen beglaubigen lassen, damit die Motorräder überhaupt angenommen und über die Grenzen transportiert werden können. Ursprünglich war es auch geplant, dass wir die Motorräder am heutigen Tage (Montag) nachmittags bereits zu dem Transportunternehmen fahren, um sie am Folgetag bereits nach Baku transportieren zu können.
An den Motorrädern können während des Transportes maximal die Koffer bleiben. Unsere großen Taschen, die Tankrucksäcke und auch die gesamte Motorradkleidung müssen wir im Flugzeug mitnehmen. Zunächst überlegten wir uns alle Möglichkeiten, das zusätzliche Gepäck im Flugzeug mitzubekommen. Ein großer Koffer oder eine große Tasche waren dabei die naheliegenden Optionen – aber auch die, die nicht wirklich nachhaltig sind. Einen Koffer oder eine Tasche nur für einen Flug zu kaufen und dann zu „entsorgen“ widersprach uns. Wir könnten die Sachen in eine Plane, Zeltunterlage oder in Müllsäcke rollen und mit ganz viel Klebeband zu einem „Paket“ machen. Auch Schrumpffolie kam uns in den Sinn. Schlussendlich haben wir uns dazu durchgerungen, mal auf die Suche nach einem „billigen“ Koffer zu gehen. Im Umfeld unseres Appartements, welches in der Altstadt liegt, gibt es eine relativ große und moderne Mall. Im 4. OG, hinten in der letzten Ecke, fanden wir dann ein Geschäft, das Reisegepäck feilbot. Uns wurde ein großer Koffer gezeigt, der ca. 225 Lari kosten sollte, was etwas über EUR 75,- sind. Zumindest hatten wir schon mal eine Option. Aber wir sind doch in Georgien, in Asien – da muss es doch noch was günstigeres geben.
Eine junge Frau, die auf der Straße Flyer verteilte und der wir zunächst einen Korb gegeben hatten, half uns dann gut weiter. Sie sagte hier im Stadtzentrum wäre alles touristisch und daher teuer. Wir sollten zum „Station Square“ fahren, dort würden die einheimischen einkaufen und die Preise wären niedrig. Also schlugen wir uns zur U-Bahn durch, kauften eine Metro-Card, die aufgeladen werden musste und luden sie am Automaten auf.
Erst mal ging es eine Rolltreppe in die Tiefe. Die Rolltreppe war locker 150m lang, wenn nicht sogar länger. Hunderte Menschen waren mit uns unterwegs. Als die Bahn kam, bestiegen wir einen Waggon, der bis zum Bersten voll war und fuhren drei Stationen auf einer der beiden U-Bahn Linien, die es in Tiflis gibt. Am anderen Ende ging es über eine mindestens genauso lange Rolltreppe und viele Gänge wieder an das Tageslicht. Oben angekommen, wussten wir genau, was die junge Frau gemeint hatte: Die Häuser waren verfallen, aber in jeder Ecke war noch ein kleiner Laden untergebracht. In einer großen Halle waren zahlreiche Lebensmittelstände und rund um die Halle wurde mit allen Dingen, die auch eine Müllhalde hergeben würde, noch weiter angebaut. In dem Gewimmel dieses Basars wurde alles erdenkliche angeboten. Vom Kinderspielzeug über selbst angebautes Gemüse und jeder Quatsch, der aus China die westliche Welt überflutet.
Natürlich gab es auch einige Geschäfte, die Koffer verkaufen. Wir haben zwar versucht zu verhandeln, sind aber vor die Wand gefahren worden. Am Ende haben wir hier aber nur 140 Lari (Etwa 45 €) für einen außen unauffälligen Koffer ausgegeben. Blau ist doch schön, oder? Aber wer hat schon ein Innenfutter mit Leopardenmuster? Gesagt getan, drei Männer und ein Handschlag! Dann gucken Philip und Claudius sich in die Augen und beide mussten zugeben, dass sie nicht im geringsten eine Idee davon haben, wie man aus dem Gewimmel der Stände wieder rauskommt. Aber irgendwo rief Claudius dann: „Dahinten das Tageslicht!“.
Mit der U-Bahn fuhren wir dann wieder zurück in die Zivilisation. Und auch diesmal war die U-Bahn wieder voll, eine Situation in der man durchaus über Corona wieder nachdenkt. Das war bei uns schon fast aus den Köpfen!
Wir hatten unser Appartement ja bewusst MIT Waschmaschine ausgewählt. Auf die Frage von Claudius, ob Philip wohl so eine Waschmaschine auch bedienen könne, war Philip zunächst fast beleidigt! Aber er musste dann doch eingestehen, dass die Maschine nicht selbsterklärend war. Die Bedieneinheit war in russisch beschriftet… Dank Google Foto-Translate gelang es uns aber die Waschprogramme zu identifizierenv und das Biest ingang zu setzen.
Nach dem Abendessen machten wir es uns in unserem „Wohnzimmer“ gemütlich und ruhten unsere müden Beine bei einer spannenden Netflix-Anwaltsserie (Nicht Suits…) aus 😉
Tag 13
Der heutige Tag stand unter dem Motto: Wir haben frei und erkunden die Stadt. Da wir schon von Slava wussten, dass wir heute nur warten können, beschlossen wir nach dem Ausschlafen uns die Sehenswürdigkeiten zu Gemüte zu führen. Zunächst machten wir uns zu Fuß auf den Weg in die Altstadt und zur „Festung Nariqala“ und zur „Mutter Georgiens“. Beide Wahrzeichen thronen hoch über der Stadt und wir hatten schon herausgefunden, dass es sowohl eine Gondel-Bahn, als auch ein Cable-Car dorthin gibt. Claudius, der stolzer Neubenutzer von Google-Maps auf dem Handy ist, hatte auch gleich die Navigation übernommen und führte uns zielgenau zu Fuß zur „Bergstation“. Aber dank unserer Hochleistungs-Oberschenkelmuskulatur haben wir den steilen Aufstieg ohne Verluste meistern können.
Der Ausblick von dort oben über ganz Tiflis war bei dem sommerlichen Wetter wirklich beeindruckend. Die Berge im Hintergrund und die farbenfrohe Altstadt unter uns – ergänzt durch moderne Architektur-Bauten luden zum einen oder anderen Foto ein. Dort oben „lungerten“ natürlich auch diverse Nepper, Schlepper und Bauernfänger. Einer, der Fotos mit Falken, Pfau oder einem Ara anbot, hielt Claudius auch gleich mal kräftig am Arm fest. Philip dachte nur :“Ups – jetzt eskaliert es gleich!“. Claudius konnte sich aber wie ein Aal aus seinen Fängen befreien und blieb (anders als von Philip erwartet) ruhig und bestimmt. Der Federfreund verstand die Geste auch prompt.
Der rückwärtige Blick von dort oben geht auf den „Botanischen Garten“ Tiflis‘. Todesmutig sprangen wir von einer Plattform in die Tiefe. Zum Glück hatten wir ein „Geschirr“ um und hingen an einer Zipline. Das ganze dauerte gerade mal 30 Sekunden. Kurz bevor wir unten ankamen hatte Philip plötzlich den Gedanken: „Wie bremst das Ding eigentlich?“ Zeit für Panik war aber nicht und schon wurde die flotte Fahrt sanft abgebremst… Die Betreiber hatten sich tatsächlich im Vorfeld darüber Gedanken gemacht.
Von dem Landeplatz nahmen wir dann den Weg zurück in die Altstadt. Wir hatten von der Festung aus bereits das nächste Highlight ausfindig gemacht: Rote Doppeldeckerbusse. Nach harten aber erfolgreichen Verhandlungen über den Preis (von 70 Lari auf 50 Lari) fuhren wir für knapp zwei Stunden mit dem Bus durch Tiflis. Jeder Sitzplatz war auch mit einem Kopfhörer-Anschluss ausgestattet und in ganzen 17 Sprachen wurden die Sehenswürdigkeiten der Stadt kommentiert. Die Deutsche Übersetzung erforderte maximale Aufmerksamkeit und auch hier und da etwas Fantasie, um den Inhalt genau zu verstehen. Großer Lacher dann: Die freundliche Dame wollte beschreiben, dass die Stadt von den Besatzern befreit wurde. Google-Translate hatte wohl daraus gemacht: „Die Feinde säuberten die Stadt“. Was für freundliche Putzteufel das wohl gewesen waren. 🙂
Während der Busfahrt wurde es dann leider zur Gewissheit: In 2022 werden wir den Pamir Highway nicht fahren. Unsere Quellen für Tadschikistan und Kirgisistan bestätigten uns, dass die Landesgrenzen zwischen diesen Ländern für uns nicht passierbar sind. Das schmerzt schon, da genau diese Strecke eines der absoluten Highlights für uns gewesen wäre. Aber: Alles passiert aus einem Grund und wir machen das beste draus. Wir planen die Route um und werden dann über Usbekistan nach Kirgisistan einreisen – zu erleben wird es auch auf der neuen Route mehr als genug geben.
Im Anschluss hatten wir uns noch mit Egon, auch einem Motorrad-Fernreisenden aus Lübeck verabredet, der auch gerade in Tiflis angekommen war. Der Kontakt kam über Jürgen (Juri) Grieschat zustande, der gerade durch Tschechien tourt. Egon, junge 66 Jahre alt, ist seit seit 10 Tagen unterwegs. Im August will er wieder daheim sein. Im Gegensatz zu uns, will er von hier weiter durch Russland nach Kasachstan fahren. Krasser Typ – ganz alleine unterwegs, sehr cool!
Bei uns ist es jetzt 19:00 Uhr und wir lassen den Tag langsam ausklingen. Wir werden uns jetzt mit zwei Zigarren bewaffnen und uns einen schönen Platz zum Rauchen suchen. Morgen 11:00 gehts hoffentlich zum Notar. Drückt uns die Daumen!!
Dieser Beitrag hat 6 Kommentare
Lieber Claudius und unbekannterweise Philipp
das lesen Eures Blogs macht unglaublichen Spass und man hat das Gefühl fast mit dabei zu sein
Wir werden auch weiterhin Eure spannende Reise mitverfolgen und wünschen Euch alles Gute
Jasmin und Peter
Kommt gesund wieder
Soooo, nun hab ich mich in eure Erlebnisberichte eingelesen. Ich bin noch ziemlich geflasht darüber was Ihr erlebt habt. Toller Schreibstil, ich hatte mitunter das Gefühl selbst dabei gewesen zu sein. Da ich euch kenne, bin ich sicher, dass der eine oder andere Moment euch zu schaffen gemacht hat, aber ich weiß auch um eure Lässigkeit und das ihr schwierige Situationen lösen könnt. Euren humorvollen Schreibstil habe ich genossen und freu mich schon jetzt auf mehr. Bitte macht weiter so. Lasst es euch gutgehen und geniest dieses Abenteuer in vollen Zügen und bleibt bitte gesund.
Mit ganz lieben Grüßen vom Bodensee
Klaus und Familie
Euer Blog ist besser als jede Netflix-Serie und der nächste Teil wird mit Spannung und Ungeduld erwartet um endlich Antworten auf all die drückenden Fragen zu erhalten: kommen die Motorräder wohlbehalten an? bleibt der Öldurst weiter auf normalen Niveau? wird der Koffer alle Klamotten aufnehmen können? wie lange reicht der Vorrat an Zigarren? und, und, und….
Freude, Freude, Freude !!!
Drücke die Daumen für alles was da kommt!
Bleibt gesund, LG Werner
Weiter so! Ich drücke Euch die Daumen, dass mit den Mopeds alles klappt!
Super, die Zip-Linie ist ja der Hit. Damit würde ich ja auch gerne mal fahren. Wir haben übrigens gerade einen Stipendiaten aus Georgien bei uns, der sich über das grüne Hamburg freut. Schade, dass die Grenzübetritte so schwierig geworden sind, aber ihr macht das richtig. Always look on the bright sight…