Tage 10 & 11 – Ushguli und spannende Hindernisse

Tag 10

Ushguli ist seit der Reportage von Erik Peters „ Himalaya Calling“ ganz oben auf unserer Bucketlist. Der Weg dort hinauf soll recht anspruchsvoll sein.

Nach einer Zigarre und einigen Bieren am Vorabend hatten wir beide eher schlecht geschlafen. Claudius war dann gegen 4:00 Uhr wach und Philip kurz nach 5:00 Uhr. Beim Frühstück fühlten wir uns echt gerädert und beschlossen erstmal einen weiteren Newsletter fertig zu stellen, um ein wenig in den Tag zu kommen. Claudius hatte aufgrund seiner Schlaflosigkeit ab 4:30 Uhr mit den ersten Formulierungen begonnen und gemeinsam haben wir dann am Frühstückstisch mit dem MacBook das ganze in Form gegossen.

So gegen 10:30 Uhr hatten wir dann aber keine Ausreden mehr, und mussten uns auf die Motorräder schwingen. Claudius war als letzter unten, weil er ein kleines Päckchen Instant-Kaffee in seiner Dokumentenmappe hatte, das am Vortrag wie eine Farbbombe bei Lösegeld in der Dokumententasche implodiert war. Nun war die ganze Dokumentenmappe voll Kaffeepulver (vielen Dank Herr Rehder! – ein Insider!). Allein der Geruch von Pass, Impfausweis & Co macht einen schon wach.

Der Weg von Mestia nach Ushguli ist nur 44 km lang. Das klingt nicht nach viel – aber Google Maps berechnet die Fahrtzeit mit 1 Std. und 30min voraus – was einem zu denken gibt. Zunächst ist die Straße halbwegs okay, dann eher katastrophal, schließlich hört der Asphalt vollends auf. Herrliche Spurrillen, kleinere und größere Steinbrocken und zum Teil imposante Schlaglöcher wechseln sich ab. Auch sind dort immer wieder Auswaschungen und abgebrochene Hangkanten, die zum Teil ohne Absicherung Teile der Fahrbahn einfach fehlen lassen. Unser Vorwarnsystem behalten wir bei: Der Vordermann kommentiert das Spiel: „Steine in der nächsten Kurve, rechte Seite; Spurrillen ganz fies; Auto kommt entgegen; Megagroße Pfütze ohne Umfahrt, da müssen wir durch!“. Man sah noch überall die Spuren eines Bulldozers, der die Steine und den Schlamm wieder von der Piste entfernt hatte. Großer Lacher als Philip einen Erdrutsch als „ Hangrutsch“ titulierte und wir erstmal wirklich lange beide überlegen mussten, wie es denn richtig heißt 🙂 Wir sind ja nicht so schlau, sehen nur so aus!?

Das letzte Drittel war dann mit den schweren Maschinen eine kleine Herausforderung. Lange und tiefe Matschpassagen reihten sich aneinander. Etwas übereifrig fuhren wir dann arg zügig durch den Modder: Frei nach dem Motto unseres Enduro-Gurus Kalle Krause: Lieber das Leben riskieren als den Schwung verlieren! Deshalb waren wir und unsere Motorräder auch völlig eingesaut. Uns kamen genau auf diesem Teilstück ca. 8 Motorrad-Kollegen entgegen, die mit ihren ebenso großen Maschinen mit deutlich weniger „Schlamm-Catching-Spuren“ gezeichnet waren. Auf dem Rückweg waren wir dann auch abgeklärter und fragten uns, was denn da auf dem Hinweg abgegangen sei – und mit etwas weniger „Kafumti“ kamen wir auch gut durch die Passage.

Aber das Wichtigste war, dass wir oben angekommen sind (Mehr zu Ushguli). Oben trafen wir ein Ehepaar aus Graz, das mit ihrem 4 × 4 Geländetruck (ein ziemliches Monster für unsere Verhältnisse) hier hoch gekommen war. Unsere neuen Freunde aus Graz erzählten uns jedoch, dass nach 16 km (der von uns eigentlich geplanten weitere Route) Schnee die Straße unpassierbar macht. Auch andere bestätigten das und wir waren heilfroh, dass wir die 16 km (offroad) nicht erst hin, und dann vergeblich wieder zurückfahren mussten.

Wir besichtigten in Ushguli noch ein kleines Kloster, das über dem Dorf thront und Claudius entzündete in der kleinen Kapelle eine Kerze für unsere Tour. Eine sehr gepflegte Asiatin wollte ebenfalls die Kapelle betreten. Ihr Tourguide machte sie darauf aufmerksam, dass sie als Frau „adäquate Kleidung“ tragen müsse. Dann bekam sie einen Wickelrock, den sie sich vor Eintritt umbinden musste. Claudius kam mit seinen Motorrad Klamotten an, die von der Auffahrt völlig dreckverschmiert waren. Etwas kleinlaut fragte Claudius den Typ, ob denn das adäquate Kleidung sei? Die Antwort war ja eigentlich schon klar, oder? Und tatsächlich lautete die Antwort: „Natürlich, du bist doch ein Mann!“ Dabei guckte er Claudius an, als ob er ihn nach dieser Frage für völlig bescheuert halten würde!? So nach dem Motto, Vorschriften für Männer gibt’s hier nicht! Auch ein interessanter Ansatz!

Wegen des Schnees auf der geplanten Route versperrte, machten wir uns also wieder auf dem gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren. Dieser „Umweg“ kostete uns gut 150 km bis 200 km. Nachdem wir die Offroad-Passagen hinter uns hatten, war der Tag auch schon vorangeschritten, aber wir wollten noch etwas Strecke machen. Gegen 18:00 Uhr wurden die Wolken über uns dunkler und wir legten unsere Regenklamotten an. Keine 500 m hinter der nächsten Kurve tauchte ein kleines Hotel auf. Murphys Law!

Oben zwei kleine Zimmer, unten ein Laden und davor saßen drei ältere georgische Frauen mit schwarzem Kopftuch und schwarzen Kleidern. Glaubt uns, die waren auch nicht unterernährt! Uns wurde für 20 USD ein Zimmer ohne Fenster im Obergeschoss gezeigt. Die Verhandlung des Zimmerpreises war übrigens gar nicht so einfach, weil wir in Dollar bezahlen wollten. Irgendwie sind wir immer nur so kurz in den Ländern, dass wir kaum Landeswährung haben (wollen). Es ist ohnehin möglich, quasi überall mit Karte zu bezahlen. Nur in diesen winzigen Läden auf dem Land nicht. Oder nur selten!

Unsere Motorräder standen an diesem Abend so sicher wie noch nie auf unserer Reise: Direkt hinter dem am Hang gelegenen Hotel thronte darüber die örtliche Polizeiwache. Einer der Polizisten sprach Englisch und sie schienen froh zu sein, dass es endlich mal eine Abwechslung gab. Alle Polizisten stellten sich mit Handschlag vor und versprachen, uns bei jedem Problem zu helfen.

Zu Abend gegessen haben wir in einem ganz kleinen Laden gegenüber. Wir saßen auf der „Terrasse“ direkt an der Durchgangsstraße ubnd bei jedem großen LKW russischer Bauart hielten wir für 30 Sekunden komplett den Atem an, um dem blauen Dunst zu entkommen. Eine Zigarre brauchten wir an diesem Abend also nicht mehr. Beim Essen wurden wir durch zwei Straßenhunde „bewacht“. Es gab sehr köstliches Brot mit Ziegenkäse und einen Salat mit Gurken, Tomaten und Zwiebeln. Und ihr werdet es nicht glauben, mit Koriander (herrje, muss das immer sein)!

Direkt vor unseren Augen wurde dann einer der Straßenhunde von einem sehr schnellen 3er BMW angefahren. Er hatte ihn frontal mit der Stoßstange erwischt. Während wir beide nach dem Hund guckten, der fluchtartig in den nächsten Garten gezischt war, hatte der Fahrer nur im Sinn, den Eigentümer des Hundes zu ermitteln, damit er ihm einen eventuellen Schaden ersetzen kann.

Unglaublich, aber der Hund ist wohl nur mit dem Schrecken und ein paar Prellungen davon gekommen. Er jaulte zwar ziemlich in den Minuten danach, aber nach 10 Minuten war wieder alles gut. Außer einem Schreck ist letztendlich nichts passiert. Auch den drei Damen, die sitzen geblieben waren, und denen der Hund wohl gehörte, entlockt das Szenario nur ein: „Ui Ui Ui“.

Nach ein bis zwei Bierchen und vielen aus anhaltenden Autos geschüttelten Händen gingen wir nach oben in unser Etablissement. Dann der nächste Lacher, als wir die Bettdecken zur Seite geschlagen htten. Die Kopfkissen wogen locker jeweils zwischen 4 kg und 5 kg!!! Per WhatsApp standen wir mit Claudius Schwester im Kontakt. Sie hatte die wissenschaftliche Erklärung dafür: 1 kg Federn und 4 kg Milben! Na dann mal gute Nacht!

Tag 11

Da wir uns nun wieder auf kultiviertem Geläuf (Asphalt) befanden, holte Philip den Kompressor aus dem Koffer und füllte die Reifen mit adäquatem Lufttruck für den „Straßenbetrieb“. Die Straßen- und Kurvenlage verbesserte sich merklich. Im Gelände lässt man etwas Luft aus den Reifen, damit der Reifen sich dann besser dem Untergrund anpassen kan, die Auflagefläche etwas größer wird es auch weinger „holprig“ ist. Auf Asphalt und vor allem bei höheren Geschwindigkeiten füllt man dann die Reifen wierder auf „Normaldruck“, denn sonst wird der Reifen durchgewalgt, wird warm und hat eine schlechte Seitenführung. Im schlimmsten Fall kann er von der Felge rutschen, aber vorallem verschleißt er schneller.

Unser Plan: Jetzt im „Tiefflug“ nach Tiflis, denn wir müssen, anders als geplant, die Motorräder ohne uns nach Aserbaidschan bzw. Kasachstan transportieren lassen. Wir könnten nach Aserbaidschan nur per Flugzeug einreisen. Über unser Netzwerk hatten wir den Kontakt zu Slava bekommen, der zum einen im Transportgewerbe hier tätig ist, und zudem in ganz Zentralasien auch Offroad-Touren organisiert. Also ein Fachmann, der sich perfekt mit unserer Materie auskennt.

Die Idee, wie die Motorräder über die Grenze kommen sollen, nimmt auch sehr konkrete Formen an: Die Motorräder werden auf einen LKW verladen und über die Grenze nach Aserbaidschan gebracht. Im Hafen von Baku dann entweder durch uns übernommen (wir fliegen nach Baku), oder sie werden dort mit einem Übergabeprotokoll auf die Fähre nach Aktau (Kasachstan) verladen und wir fliegen in diesem Falle direkt nach Aktau und übernehmen die Bikes dann dort. In Baku werden die Maschinen, wenn sie ohne uns reisen, aber nur eingeschifft, wenn auch die kasachischen Behörden ihr „OK“ geben. Dazu ist noch etwas „Paperwork“ notwendig. Zum Glück hatten wir bereits vor der Reise als einer unserer unzähligen Punkte alle relevanten Dokumente gescannt und in der Cloud abgelegt, so dass wir diese ohne Zeitverzug per Mail bzw. WhasApp an Slava schicken konnten. Slava: „Das ist hier halt etwas anders, wir sind in Zentralasien!“.

Lustig ist übrigens, dass wir am Tag bestimmt an 20 LKWs vorbei fahren, die Aufdrucke von deutschen Firmen haben. Nicht selten sind die Postleitzahlen noch vierstellig. Die Umstellung war zum 1. Juli 1993 🙂 und als Neuwagen sind die sicherlich nicht ins Land gekommen. Dies lässt einen gewissen Rückschluss auf das Baujahr zu. Ob sie nach Georgien auf legalen Weg hierhin verkauft wurden oder nicht, ist nicht klar. Klar ist aber auf jeden Fall führen die hier ihr zweites oder gar drittes Leben. Wir sitzen gerade beim Kaffee in einer Tankstelle und um uns herum sind allein Fahrzeuge von: Gebrüder Stahl, Firma Frankenfeld, Firma John und Oltersdorf Transporte 🙂

Da uns klar ist, dass wir ein paar Tage in Tiflis verbringen werden, haben wir uns online ein Quartier gesucht. Nach der eher einfachen Unterkunft der lezten Nacht haben wir uns über AirBNB ein kleines Loftappartement mitten in der Altstadt gebucht. Wesentliches Kriterium für die Suche waren: 2 Schlafzimmer (Philip schnarcht leider hin und wieder doch noch beachtlich) und das wir eine Waschmaschine haben, um den arg geschrumpften Bestand an sauberer Kleidung wieder instand zu setzen. Gegen 19:00 Uhr erreichen wir die Adresse unseres Appartment, sehr zentral gelegen – aber dadurch leider ohne gute Parkmöglichkeit für die Motorräder. Aus Vorfreude über eine Waschmaschine hatten wir den Punkt gedanklich etwas übersehen. Nach einigen Wirren hatten wir dann auch die „Doorcodes“ und konnten das Appartement beziehen. Claudius macht sich noch auf die Suche nach einer geeigneten Parkmöglichkeit für die Motrräder und wurde in einem Hinterhof in der Nähe fündig. Ein dort wohender Student gab uns das OK die Motorräder dort abzustellen. Mission accomplished.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Anton

    Jungs, danke für den tollen Bericht, mit so viel Homor und Einblicken in eine völlig neue Welt! Ich drücke die Daumen für einen guten Transfer nach Tiflis und bin schon gespannt auf die Fortsetzung!

  2. Alexandra

    *Lach*!!!! Ich weiß gar nicht, was ich als erstes kommenieren soll!!! Ich musste sooo lachen und habe wirklich alles bildlich vor mir…vor allem eure Gesichter und das Kopf-schütteln in der einen, oder anderen Situation! Übrigens…sehr nettes Foto von euch beiden, mit dem Handschlag…die Oberarmmuskulatur ist beachtlich 😉 Liebe Grüße

  3. Anonymous

    …..lieber das Leben riskieren als den Schwung verlieren…. –
    Ich brech zusammen ???
    Super cool dass ihr uns an euren Erlebnissen teilhaben lasst / man kann es sich bildlich vorstellen…. ???
    ….weiter so – freuen uns schon sehr auf die ganzen Fortsetzungen !

    Viele Grüße und bleibt gesund, alles gute von der Richterbande

  4. Birte

    …..lieber das Leben riskieren als den Schwung verlieren…. –
    Ich brech zusammen ???
    Super cool dass ihr uns an euren Erlebnissen teilhaben lasst / man kann es sich bildlich vorstellen…. ???
    ….weiter so – freuen uns schon sehr auf die ganzen Fortsetzungen !

    Viele Grüße und bleibt gesund, alles gute von der Richterbande

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