Tag 6 / 8. September 2023
Gulnara, die Chefin des gleichnamigen Gulnara Guest House serviert stolz Frühstück mit Marmelade aus dem eigenen Garten und Omelette. Wir hauen kräftig rein!
Gerade als wir durch das Tor vom Grundstück rausgerollt waren, kam „Mutti“ im Schweinsgalopp hinter uns her, denn Philip hatte sein Dushgel im Bad vergessen. Na, das wäre ja was geworden…
Dann ging es auf gut ausgebauten und asphaltierten Straßen gen Süden. Fast unmerklich waren wir plötzlich schon bei 2.000 Metern. Irgendwann war endlich der Rechtsabbieger da, der uns in die Welt des Schotters führte. Hier gemeint der Straßenbelag 😉 und nicht das Zitat aus „Jerry Maguire“. Ein lila Tor war der Anfang des Weges zum Son Kul-See, der auf gut 3000 m liegt und den wir von unserer letzten Etappe schon kannten. Dort wollten wir Sambor treffen.
Aber Stop! Bevor es los ging, musste natürlich der Luftdruck noch reduziert werden. So bekommt man im Gelände etwas mehr Auflagefläche und der Reifen springt nicht so bei Unebenheiten und gewährleistet dadurch sehr viel mehr Grip bzw. Traktion.
Wir waren noch nicht lange den Schotterweg gefahren, da sahen wir nicht nur unzählige Pferde, die wir erwartet hatten, sondern auch das erste Yack mit Familie. Diese domestizierten Wildrinder werden wir im Himalaya sicherlich oft sehen. Die wildlebenden Artgenossen sind deutlich größer und mit ihnen ist nicht gut Kirschen essen, erst recht nicht mit den Bullen. Hier ist Claudius in seinem Element – auch wenn dem Namen nach Philip ja der „Pferdefreund“ sein müsste, ist hier Claudius das Tier-Wikipedia.
Wir knattern mit 70-80 km/h über die Waschbrett- oder Wellblechpisten. Fährt man langsamer, rüttelt es so stark, dass man das Gefühl hat, dass das Motorrad auseinander zu brechen droht. Da die Straßen größtenteils recht eben sind, fährt es sich gut. Kurz nicht richtig aufgepasst und Claudius übersah eine Kuhle in dem Weg und machte mit der gesamten Fuhre von sicherlich 350 Kilo (inkl. Claudius) einen kleinen Satz, dessen Landung die Stoßdämpfer voll auslasteten.
Dann passierte etwas, was uns beide einen ausgiebigen und herrlichen Lachkrampf bescherte: Etwa 50 m vor uns wälzte sich wie aus dem Nichts ein 4 m langes und 1 m hohes schwarzes ETWAS sehr schnell von rechts nach links über die Straße. Stellt euch einen überdimensionalen Tintenfisch vor, der ein Mittelding zwischen gleiten und laufen praktiziert. Claudius dachte, die Aliens lassen nun doch keine 15.000 Jahre mehr auf sich warten, sie sind schon da! Ohne Quatsch, das war echt ein Schreck! Philip ging es nicht viel anders: In seinen Augen und aus etwas mehr Entfernung hinter Claudius war es im ersten Moment für ihn ein Yack, das über die Straße rannte, dabei stolperte und die Grätsche machte. Auch er hatte sich mächtig erschrocken. Beim zweiten Blick entpuppte sich das Ungetüm allerdings als eine große, schwarze Plastikplane, die quer über die Straße wehte! Da standen also zwei erwachsene Menschen in mitten des Nichts und ihnen liefern die Tränen nur so runter vor Lachen, was der andere denn dort gesehen haben wollte!
Kurz vor dem Yurt-Camp teilte Philip über die Helm-Kommunikation mit, dass der Fehlerteufel wohl wieder zugeschlagen hat. In seiner Front-Gabel machte es schon eine Weile verdächtige Geräusche. Wir fuhren erstmal weiter, da das Camp nur noch wenige Kilometer entfernt war.
Beim Camp angekommen, bezogen wir erstmal unsere Jurte und bekamen auch gleich ein spätes Mittagessen um 15:00 Uhr. Zu Claudius Verwunderung „schmeckte“ Philip der geräucherte Fisch aus dem See. Claudius, der bekanntlich quasi alles verzehrt, rümpfte etwas die Nase und probierte nur aus Prinzip. Philip hat eigentlich die goldene Regel: KEIN FISCH, wenn nicht zu 200% klar ist, dass der genau so schmeckt wie er es mag. Vor allem sind kleine Gräten ein Greul für Ihn.
Bevor es dunkel werden würde, wollten wir uns noch die nicht richtig sitzende Lenkung ansehen. Das Lenkkopflager war nicht richtig eingestellt. Claudius machte den Vorschlag, die Männer im Camp nach einer benötigten 36er Nuss zu fragen, die wir nicht dabei haben. Also machen wir ein Foto von der Hutmutter und marschierten zu den Männern rüber. Sie sahen sich das Foto an und signalisierten uns mit dem Daumen nach oben, dass sie das passende Werkzeug hätten. Klar, die müssen hier oben natürlich jeden LKW selbst reparieren. Vor unserem geistigen Auge sahen wir eine große Auswahl verrosteter Maulschlüssel. Also zogen wir siegessicher hinter dem Wortführer her. Er öffnete einen Container und streckte uns breit grinsend zwei Rohrzangen entgegen. Ei, was für eine Freude, denn mit diesen Präzisionswerkzeugen kann man jede Schraube im Handumdrehen rund machen und somit ruinieren.
Aber was hatten wir für eine Wahl!? Versuch macht Klug! Also machen wir uns ans Handwerk. Aber der Mann traute uns mit diesem kirgisischem Präzisionswerkzeug scheinbar nicht viel zu. Nur wenige Minuten später erschien er auf seinem Pony und griff beherzt in die Operation ein. Mit Bärenkräften zog er die große Mutter noch ein wenig fester. (OHNE die Schraube zu ruinieren). Die Gabel war wieder fest!
Claudius machte wohl die Höhe etwas zu schaffen oder war es zu wenig Flüssigkeit? Auf jeden Fall war die Sauerstoffsättigung in seinem Blut auf 80% gefallen und der Puls war bei 96. Mit mehreren Litern Wasser, Tee und Kaffee und vor allem mit zwei Pillen gegen Höhenkrankheit kam er schnell wieder auf die Beine. Bei den Pillen handelt es sich um traditionelle Naturmedizin, wie sie in Tibet den Bergsteigern verabreicht wird, die aus der ganzen Welt dort einfallen und mit der Höhe Probleme bekommen: Amerikanischer Ginseng und Rosenwurzwurzel – oh, dem Internet sei Dank, hat Claudius das Zeug schon in Deutschland besorgt. Ob es das nun war oder nur die zugeführte Flüssigkeit, egal, auf jeden Fall war dann Schluss mit Höhenkrankheit oder zumindest Unwohlsein. Das konnten wir mit einem kleinen Gerät übrigens gut überprüfen. Claudius war froh, dass er die 20 € noch investiert hatte. Philip hat einfach prophylaktisch auch gleich diese Wunderpillen eingenommen, nachdem Claudius ihm auch schon ein paar seiner „Ranger Candys“ (200 mg Ibuprophen) weggefressen hatte.
Zum Abendessen gab es Gemüsesuppe mit Fleischeinlage und das Traditionsgericht „Plov“ – Reis mit Gemüse und Fleischstückchen.
Eine italienische Reisegruppe, die auch in dem Jurten Camp residierte, spendete uns noch etwas trinkbares (!) Wasser, damit wir in der Nacht nicht dursten müssen. Gegen 21:30 Uhr geht es dann durch die dunkle Nacht zu unserer Jurte, die mit einem kleinen Ofen schon auf angemessene 24-25 Grad überheizt war. Also legten wir uns erstmal im T-Shirt auf das Bett, bis die Temperaturen auf ein erträgliches Maß gefallen waren. Philip zitierte die besten Stellen aus einem sehr lustigen Buch, das er gerade las. Claudius las kein Buch!! Kurz nach 22:00 Uhr wurde das Licht gelöscht, indem der Dieselgenerator, den wir auch von drinnen gut hören konnten, ausgeschaltet wurde. Er versorgt alle Jurten und die Aussenbeleuchtung (abends) mit Strom.
Während Philip im Reich der Träume wahr, musste Claudius morgens um 2:00 Uhr zum Toilettencontainer, der circa 70 m entfernt war. Er benutzt dazu nicht die Taschenlampenfunktion seines Handys, sondern leuchtete nur mit dem Handydisplay vor sich den Boden ab. Da tauchte im fahlen Licht vor ihm in schwarzer Nacht ein großes, weißes Gespenst auf. Es entpuppte sich als ein weißes Pferd, das den WC-Container als willkommenen Windschutz nutzte. Nachdem bei den beiden die Schrecksekunde vorbei war, einigten wir uns darauf, uns gegenseitig nicht aufzufressen, sondern jeder seines Weges davon zu trotten. Der Rest der Nacht war ohne Zwischenfälle.
Tag 7 / 9. September 2023
Wir haben herrlich geschlafen und sind erst um 8:00 Uhr aufgestanden, weil es um 8:30 Uhr Frühstück gab – einmal in den Wind gespuckt und wir waren ausreichend frischgemacht! Danach gab es noch nur vorsichtshalber zwei von den Zauberpillen – für beide.
Mit den Leuten vom Camp besprachen wir, welcher Weg der Beste sei. Von den drei möglichen Wegen entschieden wir uns für einen Weg im „Zickzackkurs“. Die italienischen Gäste verdrehten schon die Augen bei dem Gedanken daran, dass jemand da mit dem Motorrad runter möchte. Aber der Weg war tatsächlich nicht über die Maßen anspruchsvoll. Dafür aber sehr reizvoll von der Landschaft her. Einziger Wermutstropfen war das Lenkkopflager von Philip, das wieder auf sich aufmerksam machte. Philip versuchte sich selbst zu motivieren und verkündete über die Helmkommunikation: So ein Eisenschwein hält das locker aus. Ist ja nur eine Einstellungssache, mache ich gleich unten (auf 2000 m), wenn ich Werkzeug leihen kann. Wir müssen hier ja sowieso erstmal runter!
Auf halbem Weg fiel uns eine Gruppe von Motorradfahren auf, die etwa 100 m abseits vom Weg mit Vollgas den Hang hoch bretterten. Erst fuhren wir vorbei, dann kehrten wir aber nach 50 m um, schließlich gehört sich das unter Bikern so.
Die Männer kamen augenscheinlich alle aus Indien und freuten sich sehr über den Plausch mit uns. Doch dann kamen Philip die Motorräder sehr bekannt vor und er fragte, ob einer der beiden Guides nicht vielleicht „Islam“ heißen würde (unser Mechaniker aus Bishkek). Ja, und dem war auch so – Kirgistan ist ja so klein! Islam war aber mit einem Geländefahrzeug vorgefahren und ein Kollege hatte die Führung übernommen. Wir wurden zu unzähligen Fotos aufgefordert und baten darum, Islam von uns zu grüßen.
Unten angekommen, fuhren wir noch ca. 40km Asphalt bis in der Kleinstadt Naryn. Dort fanden wir sofort eine kleine Autowerkstatt am Ortseingang, die uns mit einer 36er Nuss aushalf. Am Straßenrand richtete der „germanische Islam“ in gut 20 Minuten die Sache kurzerhand selbst. Sollte jetzt passen.
Nun hatten wir uns ein gutes Mittagessen verdient. Wir saßen auf einer Veranda mit künstlichen Weinblättern, die uns vom Staub des Verkehrs der Hauptdurchgangsstraße mehr schlecht als recht abschirmten. Nach Boef Stroganoff und Pizza fanden sich noch drei Deutsche für ein Schwätzchen.
Keine 4 km später erreichten wir unser nächstes Domizil, das Kezgin Guest House/ 22 $ pro Zimmer. Direkt nebenan gab es in einer von drei zirkuszeltgroßen Jurten Abendessen – und zwar halal: Philip hatte Pizza und Claudius Hühnchen süß-sauer. In der größten der Jurten peitschten ein DJ und ein Moderator, der Thomas Gottschalk in nichts nachstand, eine Hochzeitsgesellschaft ordentlich durch den Abend – ums,ums,ums drööööhnnnn!!
Uns haben auch viele gebeten, unsere Routen/Tracks auf einer Karte zu zeigen. Unter dem folgenden Link versuchen wir regelmäßig unsere Tagesziele und gefahrenen Routen zu teilen.
Hier klicken: Etappe 2 Wegepunkte / Tracks
Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
Von wem hast Du nur diesen Abenteuersinn geerbt, Bruder?! Aber schon der Marlboro-Mann wußte ja bekanntlich : Woher soll man sonst das Gefühl von Freiheit nehmen!
Ich verfolge Eure Berichte mit Spannung und großem Amüsement!
Viel Spaß noch!!!! Addi
Musste auch schmunzeln. Kleiner Tipp. Entferne die Batterie aus dem Pulsoximeter. Keine Ahnung warum aber einige entladen sich recht schnell. Wenn du ihn dann benötigst ………………
Gruß Armin 🙂
Mega… es sieht so unglaublich schön aus! Großartige Bilder!!! Genießt es und passt gut auf euch auf!!!
Jetzt komme ich auch endlich zum Schreiben! Herrlich! Wir freuen uns schon wieder mega über eure Berichte! ICH brauche dann gar kein anderes Buch mehr *lach* Philip, ich denke, Claudius hatte dir unseren Geburtstagsgruß übermittelt?! Nochmal nachträglich alles Liebe! Und wenn du denn Fisch dort vor Ort gegessen hast, dann kannst du ja nun auch einen bei uns essen 🙂 Claudius, deine Mütze *lach* Du befürchtetst Aliens? Mit dieser wirst du ggfs selber für ein kleines rotes Männchen gehalten.
Herzlichen Dank auch für diesen Bericht! Bleibt gesund und munter und viel Spaß bald in China!
Super Bilder,
Freue mich schon auf die nächsten!
Wünsche Euch noch eine tolle Reise .
Habe nicht viel Zeit zum schreiben muss jetzt wieder ein
schlag reinhauen. LG
Sieht das toll aus bei euch!